Studie entfacht Debatte Das Grundeinkommen erhitzt die Gemüter

Berlin · SPD-Kanzlerkandidat Scholz ist strikt gegen den bedingungslosen Geldbezug. Auch von anderer Seite kommt heftiger Widerstand.

 Die Kritiker argumentieren unter anderem damit, dass Menschen mit bedingungslosem Einkommen nicht mehr arbeitswillig seien.

Die Kritiker argumentieren unter anderem damit, dass Menschen mit bedingungslosem Einkommen nicht mehr arbeitswillig seien.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Geld ohne Gegenleistung – diese alte Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens erhält in der Corona-Krise neuen Auftrieb. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz allerdings warnte am Freitag davor: „Das würde viele Errungenschaften des Sozialstaates wie die Renten- oder die Arbeitslosenversicherung gefährden“, so Scholz in einem Interview.

Das enorme Echo kam wohl selbst für die Initiatoren überraschend: Binnen weniger Tage meldeten sich mehr als eine Million Menschen, um an einer Studie des Vereins „Mein Grundeinkommen“ in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) teilzunehmen. Dabei sollte der Teilnehmerkreis eigentlich nur auf etwa 120 Personen begrenzt sein. Die Studie sieht vor, dass diese Menschen ab dem kommenden Frühjahr drei Jahre lang monatlich 1200 Euro erhalten, unabhängig von ihren Einkommensverhältnissen. So will man herausfinden, was der anstrengungslose Geldbezug mit ihrem Verhalten macht. Der Feldversuch wird durch Spenden getragen.

Ein ähnliches Experiment hatte es zuletzt in Finnland gegeben. Ergebnis: Für die Teilnehmer bedeutete Geld ohne Gegenleistung mehr Sicherheit sowie weniger Stress und Bürokratie. Der erhoffte Effekt für eine spürbare Belebung des Arbeitsmarktes blieb aber aus.

Als eine der größten Hürden für das Grundeinkommen gilt die Finanzierung. „Wenn man fair und richtig rechnet, ist das auch unbezahlbar“, argumentierte Scholz, der bekanntlich auch Bundesfinanzminister ist. Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), sieht das genauso: „Schon eine monatliche Höhe von 1000 Euro etwa würde mehr als ein Drittel unseres Bruttoinlandsprodukts kosten.“ Dies sei „nicht seriös bezahlbar, weil aus den bisherigen Steuereinnahmen ja auch noch Dinge wie Straßen, Schulen und aus den Sozialabgaben auch noch Kranken- und Pflegeversicherung bezahlt werden“, sagte Dullien.

Ökonomisch ist nach Einschätzung Dulliens auch nicht klar, ob gerade bei einem höheren Grundeinkommen am Ende tatsächlich noch alle gesellschaftlich notwendigen Arbeiten verrichtet würden. „Würden wir genug Personal für die Müllabfuhr oder die Pflege noch finden? Man darf ja nicht vergessen, dass wir bis zum Ausbruch der Corona-Krise keinen Mangel an notwendiger Arbeit hatten, sondern in vielen Bereichen bereits Fachkräftemangel“, gab der Experte zu bedenken.

Der Verein „Mein Grundeinkommen“ indes hält die „Faulheitsthese“ für nicht bewiesen. Auch handele es sich im Wesentlichen um eine Steuerreform, so seine Sicht. Menschen mit geringem Einkommen bekämen dadurch mehr Geld, die Mittelschicht habe etwa gleich viel, nur die Reichsten, so der Verein, würden etwas stärker zur Kasse gebeten.

Auch DGB-Chef Reiner Hoffmann hält das Grundeinkommen für einen Irrweg. Bereits im Mai, also mitten im Corona-Lockdown, sagte er in einem Interview mit der Zeitung Die Welt: „Es ist nichts anderes als eine Abwrackprämie für Menschen, um den Arbeitsmarkt zu entlasten, weil man zu unkreativ für andere Lösungen ist“. Arbeit sei jedoch mehr als Broterwerb, weil sie eine hohe sozialintegrative Funktion habe. Deshalb sei es unverantwortlich, Leute einfach mit einer Prämie „stillzulegen“, so Hoffman.

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