Umweltschutz Streit um kompostierbare Tragetaschen

Karlsruhe · Die Deutsche Umwelthilfe kommt vor dem Bundesgerichtshof im Streit um ihre Kampagne gegen Bio-Tüten ungeschoren davon.

 Die Kläger, ein Händler aus der Nähe von Köln und ein Tütenhersteller aus Ostdeutschland, verlangten von Resch und seiner Organisation Schadenersatz in Höhe von 2,7 Millionen Euro.

Die Kläger, ein Händler aus der Nähe von Köln und ein Tütenhersteller aus Ostdeutschland, verlangten von Resch und seiner Organisation Schadenersatz in Höhe von 2,7 Millionen Euro.

Foto: dpa/Nikolai Huland

Wie genau muss es eine Nichtregierungsorganisation mit der Wahrheit nehmen? Werden an eine Organisation, die sich selbst den staatlich klingenden Namen Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegeben hat, strenge Maßstäbe bei öffentlichen Äußerungen angelegt wie etwa an diejenigen von Journalisten oder der Stiftung Warentest? Kann auch ein selbst ernannter Umweltverband finanziell zur Rechenschaft gezogen werden? Etwa dann, wenn Behauptungen durch hohe Repräsentanten oder in Pressemitteilungen, die auf wackeligem, womöglich gar gänzlich falschem Grund getätigt wurden, dazu beitragen, dass einem Unternehmen nicht unerheblicher Schaden entstanden ist?

Um diese Fragen ging es bei einem jahrelangen Prozess-Marathon über mehrere Instanzen, den zwei Unternehmen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ausgefochten haben. Das Ergebnis: Die Umwelthilfe und ihr Geschäftsführer Jürgen Resch haben vor Gericht Erfolg gehabt. Die DUH, die sonst sehr klagefreudig ist, war bei diesem Rechtsstreit einmal nicht in der Rolle des Angreifers, sondern musste sich wehren. Es stand für sie viel Geld auf dem Spiel. Die Kläger, ein Händler aus der Nähe von Köln und ein Tütenhersteller aus Ostdeutschland, verlangten von Resch und seiner Organisation Schadenersatz in Höhe von 2,7 Millionen Euro. Eine Summe, die die Umwelthilfe mit einem Jahresetat von gut acht Millionen Euro bei einer juristischen Niederlage wohl in erhebliche finanzielle Turbulenzen gebracht hätte.

Alles begann 2012: Auslöser des Gerichtsstreits waren Bio-Tragetaschen. Das eine Unternehmen stellte sie her, das andere verkaufte sie mit Slogans wie „100 Prozent kompostierbar“. Die Tüten, gedacht als umweltfreundliche und ressourcenschonende Variante zur Plastiktüte aus Erdöl, waren bei den ganz großen Handelsketten im Sortiment, darunter Rewe und Aldi.

Als die Tüten auf dem Markt waren, griff DUH-Chef Resch an. Er reagierte mit einem Begriff, den er auch im Zusammenhang mit Autos, Grenzwerten und Verbrauchsangaben gern benutzt: Er sieht Verbrauchertäuschung gegeben. „Verbrauchertäuschung von Aldi und Rewe mit angeblich kompostierbaren Einkaufstüten“ lautete die Überschrift in mehreren Pressemitteilungen. Weiter hieß es, die als kompostierbar beworbenen Tragetaschen bestünden zu mehr als zwei Dritteln aus Erdöl und würden weder kompostiert noch recycelt. Resch zettelte eine öffentliche Kampagne gegen die Verwendung der Tüten an und machte, wofür er von vielen Unternehmen gefürchtet ist. Er mahnte Rewe und Aldi wegen der als Bio-Tragetaschen beworbenen Tüten ab. Und hatte Erfolg: Aldi und Rewe nahmen die Tüten aus dem Sortiment.

Doch die Hersteller und Verkäufer der Tüte ließen die Sache nicht auf sich sitzen. Schließlich ist die Tüte nach DIN EN 13432 als biologisch abbaubar, also kompostierbar, zertifiziert. Sie erwirkten vor Gericht eine einstweilige Verfügung: Die Umwelthilfe durfte dann nicht mehr behaupten, die Tragetaschen aus Biokunststoff seien nicht biologisch abbaubar und könnten in Deutschland nicht kompostiert werden. Die Hersteller und Verkäufer der Tüte zogen vor das Landgericht Köln und verlangten Schadenersatz. Sie waren der Ansicht, die Umwelthilfe habe ihnen mit der Kampagne das Geschäft kaputt gemacht, Jobs vernichtet sowie Gewinne unmöglich gemacht.

Inzwischen liegt das Urteil in letzter Instanz vor. Der Richterspruch des Bundesgerichtshofs hat es in sich: In Karlsruhe ging es nicht mehr darum, ob die Tüte kompostierbar ist. Dies steht außer Zweifel, da die Tüte nach DIN zertifiziert ist. Es spielte nur noch eine Rolle, ob die Umwelthilfe die Behauptungen aufstellen durfte. Im Urteil, das unserer Zeitung vorliegt, heißt es: Das Gericht lasse es „dahinstehen, ob die Tatsachenbehauptung wahr ist“. Das Gericht stellt fest: „Den Beklagten ist nicht mehr als ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen.“ An die Behauptungen von Resch und der DUH würden weniger strenge Maßstäbe angelegt, als dies etwa Gerichte bei Texten in Zeitungen machten: Resch könne „nicht am Maßstab ,journalistischer Sorgfalt‘ gemessen werden“, weil die DUH kein Presseunternehmen und Resch kein Journalist sei.

Unterdessen hat die von Resch angefeindete Tragetasche ihren Siegeszug durch Europa angetreten. Gemüse und Früchte dürfen in Frankreich seit Januar 2016 nur noch in Tragetaschen verkauft werden, die auf Komposthaufen verrotten. In Italien, Belgien, Spanien und Österreich dürfen entweder bereits zum jetzigen Zeitpunkt oder in naher Zukunft nur noch Tragetaschen mit einer DIN-Norm verwendet werden. Und zwar DIN 13432, die jene Tüten, die von der Umwelthilfe mit dem Etikett „Verbrauchertäuschung“ versehen wurden, vor Jahren bekommen haben.

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