Nach etwa 40 Tagen Streik IG Metall schlägt Schlichter bei Tarifstreit vor

Saarbrücken/Frankfurt · Ex-Arbeitsrichter Lothar Jordan soll beim Tarifstreit zwischen der IG Metall und Halberg Guss schlichten. Ob es dazu kommt, ist noch offen.

 Schon in der sechsten Woche streiken und demonstrieren die 2200 Mitarbeiter des Autozulieferers  Neue Halberg Guss.

Schon in der sechsten Woche streiken und demonstrieren die 2200 Mitarbeiter des Autozulieferers  Neue Halberg Guss.

Foto: BeckerBredel

Nachdem auch die sechste Verhandlungsrunde zwischen der Geschäftsführung der Motorblock-Gießerei Neue Halberg Guss (NHG) und der Gewerkschaft IG Metall um einen Sozialtarifvertrag für die rund 2200 Beschäftigten ergebnislos geblieben ist, hat die IG Metall das Unternehmen zu einer Schlichtung aufgefordert. Wenn sich die NHG-Geschäftsführung mit dem Schlichter und dem vorgeschlagenen Schlichtungsverfahren einverstanden erklärt, ist die IG Metall bereit, den Streik in Saarbrücken und im Werk Leipzig „mit Beginn der Schlichtung vorerst auszusetzen“. Die Produktion könne dann am Montag wieder aufgenommen werden, sagte der Chef des IG-Metall-Bezirks Mitte, Jörg Köhlinger, gestern in Frankfurt. Die Belegschaften in den Werken Saarbrücken und Leipzig streiken seit dem 14. Juni.

Als Schlichter schlägt die Gewerkschaft Lothar Jordan vor. Jordan ist ehemaliger Vizepräsident des Arbeitsgerichts Mannheim und war 35 Jahre an verschiedenen Arbeitsgerichten als Richter tätig. Der 69-Jährige „verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Leitung von Schlichtungs- und Einigungsstellenverfahren im gesamten Bundesgebiet“, heißt es in einer Mitteilung der Gewerkschaft. Die NHG-Geschäftsführung habe jetzt bis zum heutigen Donnerstag, 24 Uhr, Zeit „ihr Einverständnis zum Verfahren und zur Person zu erklären“.

Die NHG-Geschäftsführung begrüßt „die Bereitschaft der IG Metall, den Arbeitskampf auszusetzen“. Dies sei „angesichts des wachsenden Drucks durch unsere Kunden die letzte Chance, die Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu sichern“, heißt es in einer Mitteilung.

Die NHG-Manager erinnern daran, dass sie den Vorschlag, einen Schlichter mit einzubeziehen, bereits vor Wochen unterbreitet hätten. Hier könne sich ein möglicher Einigungsweg abzeichnen. „Wir werden den Vorschlag der IG Metall prüfen und kurzfristig unsere Antwort übermitteln“, heißt es weiter. Bei der sechsten Verhandlungsrunde, die am Dienstagabend ergebnislos abgebrochen worden war, sei die Geschäftsführung „an die Grenze des wirtschaftlich Tragfähigen gegangen“. Eine ebenso deutliche Bewegung werde jetzt auch von der IG Metall erwartet.

Die Gewerkschaft begründet ihren Vorstoß, einen Schlichter zu benennen und den Streik auszusetzen damit, dass die IG Metall nicht die gesamte Wertschöpfungskette der NHG-Kunden Schritt für Schritt stilllegen will. Einige Kunden wie der Kölner Motorenhersteller Deutz hatten bereits vor zehn Tagen einen dringenden Appell an NHG gerichtet, den Streik auszusetzen und die Produktion von Motorblöcken und Kurbelwellen wieder aufzunehmen. Die IG Metall wirft der NHG-Geschäftsführung vor, den Arbeitskampf „in unverantwortlicher Weise“ weiter angeheizt zu haben. Sie habe die Schließung des Werks in Leipzig und einen erheblichen Arbeitsplatzabbau in Saarbrücken angekündigt, „ohne eine soziale Verantwortung für die davon betroffenen Kolleginnen und Kollegen übernehmen zu wollen“. Die ganze Auseinandersetzung wäre nicht nötig, „wenn die Manager der Neue Halberg Guss Verantwortung für ihr Tun übernehmen würden, anstelle verbrannte Erde zu hinterlassen“, so die Gewerkschaft.

Zuletzt war  Ex-Arbeitsrichter Jordan beim Wäschehersteller Triumph als Schlichter tätig. Dort erreichte er im vergangenen Jahr einen Interessenausgleich und einen Sozialplan für 290 Mitarbeiter des Triumph-Logistikzentrum Aalen, das geschlossen wurde und wo zuvor 400 Frauen und Männer beschäftigt waren. Das Paket der Maßnahmen, das im Herbst vergangenen Jahres verabschiedet wurde, umfasste neben Abfindungen eine Vorruhestandsregelung und die Möglichkeit für jüngere Beschäftigte, sich in einer Transfergesellschaft weiterzuqualifizieren.

Der traditionsreiche Autozulieferer Neue Halberg Guss gehört seit Anfang des Jahres zur bosnisch-deutschen Prevent-Gruppe der Familie Hastor. Diese liefert sich mit dem Autokonzern VW seit Jahren eine erbitterte Fehde. So stoppte Prevent vor zwei Jahren die Lieferung von Sitzbezügen und Gussteilen an VW und zwang die Wolfsburger kurzzeitig zur Einstellung der Produktion. Eine der ersten Prevent-Aktionen nach dem NHG-Einstieg war, die Produktpreise für den NHG-Großkunden VW um den Faktor zehn zu erhöhen. Seitdem gilt die Lieferbeziehung als sehr angespannt. Daher bezweifelt die IG Metall auch grundsätzlich das Geschäftsmodell der neuen NHG-Eigner. Köhlinger hielt ihnen irrationales Verhalten vor: „Wir wissen bis heute nicht, was die Gegenseite eigentlich will“, sagte er gestern.

Das NHG-Management will auf jeden Fall das Werk Leipzig mit 700 Beschäftigten Ende 2019 schließen. Auch das Stammwerk Saarbrücken mit rund 1500 Mitarbeitern soll wegen wegbrechender Aufträge in der Folge des Streiks auf der Kippe stehen. In der vergangenen Woche hatten 26 Kunden-Unternehmen in ganzseitigen Anzeigen an die Kontrahenten appelliert, dem „Wahnsinn“ ein Ende zu setzen.

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