Stahl Saarschmiede wird teilweise stillgelegt

Völklingen · Rund die Hälfte der Stellen wird gestrichen. Hunderte Mitarbeiter demonstrieren in Völklingen gegen drohende Kündigungen.

 Hunderte Mitarbeiter haben gestern in Völklingen gegen die Schließung der Schmiede demonstriert.   

Hunderte Mitarbeiter haben gestern in Völklingen gegen die Schließung der Schmiede demonstriert.  

Foto: BeckerBredel

Die Saarschmiede in Völklingen wird radikal verkleinert. Das hat der Aufsichtsrat der Saarstahl-Tochter gestern beschlossen. Danach wird die Belegschaft von derzeit 850 Beschäftigten bis Ende des Jahres auf rund 430 Mitarbeiter sinken – also fast halbiert. Das teilten die Geschäftsführer der Saarschmiede, Martin Baues und Peter Schweda, mit. Die neue Schmiede, die erst 2010 ihren Betrieb aufgenommen und 450 Millionen Euro gekostet hatte, wird komplett eingemottet. „Ziel ist es, die Schmiede den Marktgegebenheiten anzupassen und die Kosten weiter drastisch zu senken“, sagte Baues, Sprecher der Geschäftsführung.

Produziert wird nur noch in der alten Schmiede. Auch die Produktion im Elektro­stahlwerk, das die beiden Schmieden mit Stahl versorgt, wird entsprechend zurückgefahren. Diese Maßnahmen sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein, so dass die Schmiede das Geschäftsjahr 2018 ohne Verluste überstehen könne, so der Plan des Managements. 2016 hatte die Schmiede bei einem Umsatz von 185 Millionen Euro einen  Verlust von 63 Millionen Euro gemacht.

Die Verhandlungen über die Bedingungen des Personalabbaus sollen am Montag mit dem Betriebsrat beginnen, sagte Arbeitsdirektor Schweda. Betriebsbedingte Kündigungen sollen vermieden werden. Es würden Altersübergangs-Regelungen ausgearbeitet. Weitere Mitarbeiter sollen im Saarstahl-Konzern eine neue Arbeit finden, andere sollen in einer Transfer-Gesellschaft weiterqualifiziert werden.

Ganz will das Unternehmen sich von der neuen Schmiede aber nicht verabschieden. Wenn sich die Auftragslage bessern sollte oder neue Geschäftsfelder aufgetan werden, sollen die stillgelegten Produktionskapazitäten wieder hochgefahren werden können. Das Geschäft mit geschmiedeten Turbinen- und Generatorenwellen für Atom- oder Kohlekraftwerke hatte sich in den vergangenen Jahren nicht so entwickelt, wie erwartet worden war. „In den vergangenen zwei Jahren ist es regelrecht eingebrochen. Daher müssen wir die Kapazitäten anpassen“, sagte Baues.

Am Nachmittag hatten rund 500 Menschen auf dem Völk­linger Saarstahl-Gelände für den Erhalt der Saarschmiede und gegen betriebsbedingte Kündigungen demonstriert. „Der Hammer darf nicht fallen – Wir kämpfen gemeinsam“, stand auf einem der Transparente. „Es wäre schlimm, wenn für die Inkompetenz weniger ganz viele Kollegen die Zeche zahlen müssten“, sagte Thomas Schiff, Leiter der Vertrauensleute in der Schmiede. Über Jahre habe es zwischen den „Anzugträgern in den Führungsetagen“ und den „Männern an der Maschine“ Meinungsverschiedenheiten gegeben – und sie seien mit dem Spruch „Mach, was dir gesagt wird“ beiseite geschoben worden. „Die hausgemachten Probleme wiegen schwerer als der Atomunfall im japanischen Fukushima“, sagte Schiff. „Wir brauchen Führungskräfte, die sich als Teil der Mannschaft verstehen und keine abgehobene Kaste bilden.“ Schiff spielte damit auf die vielen Führungswechsel bei der Schmiede  an.

 Guido Lesch von der Gewerkschaft IG Metall (m.) – hier mit Betriebsratschef Stephan Ahr (l.) macht auch die Politik für das Schmiede-Aus verantwortlich.

Guido Lesch von der Gewerkschaft IG Metall (m.) – hier mit Betriebsratschef Stephan Ahr (l.) macht auch die Politik für das Schmiede-Aus verantwortlich.

Foto: BeckerBredel

Guido Lesch, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Völklingen und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Schmiede, macht für den Misserfolg auch die Politik verantwortlich. So könne die Schmiede Behälter für verstrahltes Material aus Atommeilern herstellen. „Doch die Politik schiebt das Problem der Endlagerung immer wieder vor sich her“, schimpfte Lesch. Aufsichtsratschef Reinhard Störmer erinnerte daran, dass der Bau der 450 Millionen Euro teuren Schmiede vor zehn Jahren „unter ganz anderen Vorzeichen auf den Weg gebracht wurde“. Damals seien die Verantwortlichen davon ausgegangen, dass weltweit Kohle- und Atomkraftwerke in großer Zahl gebaut würden und die Nachfrage nach geschmiedeten Generatoren und Turbinen groß sei. Das hätten auch Kraftwerksbauer und Energiekonzerne bestätigt. „Doch nach der Finanzkrise und dem Reaktor-Unfall in Fukushima sah die Welt anders aus.“ Die Preise rauschten in den Keller, wie Saarstahl-Betriebsrat Stephan Ahr erläuterte. Vor zehn Jahren seien 15 Euro pro Kilogramm geschmiedetem Stahl gezahlt worden, heute  noch drei bis fünf Euro.

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