Börsengang Dillinger Firma Pyrum will an die Pariser Börse gehen

Dillingen · Mit ihrem Verfahren, aus dem Gummi von Altreifen Öl, Gas und Koks zu produzieren, geht die Dillinger Firma Pyrum an die Börse Euronext.

 Die beiden Pyrum-Vorstände Pascal Klein (31, links) und Julien Dossmann (32) vor ihrer Reaktor-Anlage in Dillingen. In dem 25 Meter hohen Turm werden Kunststoffe und das Gummi-Granulat von Altreifen in die Bestandteile Öl, Gas und Koks zerlegt. Dies geschieht unter Ausschluss von Sauerstoff bei Temperaturen um die 700 Grad.

Die beiden Pyrum-Vorstände Pascal Klein (31, links) und Julien Dossmann (32) vor ihrer Reaktor-Anlage in Dillingen. In dem 25 Meter hohen Turm werden Kunststoffe und das Gummi-Granulat von Altreifen in die Bestandteile Öl, Gas und Koks zerlegt. Dies geschieht unter Ausschluss von Sauerstoff bei Temperaturen um die 700 Grad.

Foto: Ruppenthal

Eine saarländische Firma wagt demnächst den Börsengang. Es handelt sich um das Dillinger Unternehmen Pyrum Innovations, das am Handelsplatz Paris der westeuropäischen Börse Euronext ab Frühjahr 2018 gelistet werden will. Pyrum-Vorstandschef Pascal Klein erwartet, dass dieser Börsengang rund 40 Millionen Euro in die Firmenkasse spülen wird.

Das Geld wird unter anderem  benötigt, „um das weitere Wachstum von Pyrum zu finanzieren“, sagt Klein. Denn das Unternehmen betreibt ein sehr kapitalintensives Geschäft und die ersten Kunden-Gelder werden vermutlich erst im kommenden Jahr fließen – dann aber in der Größenordnung von zweistelligen Millionen-Beträgen. Klein und sein Vorstandskollege  Julien Dossmann, die derzeit zusammen noch etwas mehr als 50 Prozent an der Pyrum halten, haben gemeinsam mit Partnern, Tüftlern und ihren Familien eine Methode entwickelt, mit der aus alten Reifen Öl, Gas und Koks gewonnen werden können. Erfinder dieses Thermolyse-Verfahrens ist der Ingenieur Hans-Peter Schulz, an dessen Idee die beiden Unternehmer glaubten, die beide selbst erst Anfang 30 sind.

Vor zehn Jahren wurde Pyrum gegründet, die erste Pilotanlage war 2009 fertig. Doch vom Piloten bis zu einer ausgereiften großtechnischen Anlage, die in Dillingen inzwischen seit gut einem Jahr reibungslos läuft, vergingen weitere sieben Jahre. Auf Erfolge folgten Rückschläge, nach denen Klein und Dossmann wieder einen neuen Versuch starteten. Das Geld mussten sie sich immer wieder zusammensuchen. Dabei half, dass sich die EU im Jahr 2011 mit 985 000 Euro beteiligte. Danach erklärten sich etliche Privatinvestoren – sogenannte Business Angels – bereit, eigenes Geld in das Unternehmen zu stecken und Anteile zu erwerben. Inzwischen sind das rund 40 Leute, die zusammen etwa 40 Prozent halten. Vor einem Jahr stieß die IBG, die industrielle Beteiligungsgesellschaft Köln, zum Investorenkreis, die jetzt mit zehn Prozent dabei ist. Auch das Saarland und die frühere Region Elsass haben das Vorhaben mit Fördergeldern unterstützt. Denn die Firma Pyrum wurde ursprünglich in Straßburg gegründet.

Das Geld wird dringend gebraucht. Allein die Anlage, die jetzt in Dillingen steht, wird am Ende insgesamt 14 Millionen Euro kosten. 5000 Tonnen Granulat aus Reifen-Gummi oder Kunststoff kann dieser Reaktor pro Jahr in Öl, Gas und Koks zerlegen. Unter Ausschluss von Sauerstoff werden der Reifengummi und die Kunststoffe in einer Kammer auf rund 700 Grad erhitzt. Sie köcheln dann vor sich hin, bis sie in ihre Bestandteile zerlegt sind. Ein großer Teil davon (62 Prozent) wird zu Dampf. In fester Form bleibt Kohlenstoff – also Koks – übrig, der mit Metalloxiden (Zink und Eisen) angereichert ist. Dieser bildet rund 38 Prozent der Gesamtmasse. Er kann unter anderen für die Herstellung von Kohlefaser-Verbundstoffen oder als Aktivkohle verwendet werden, die in der Chemie, Medizin, Wasser- und Abwasserbehandlung eingesetzt wird. Der meiste Dampf kondensiert in der Abkühlphase zu Öl, das an Raffinerien geliefert wird. Der Teil des Dampfes, der sich nicht mehr verflüssigt, bleibt als energiereiches Gas zurück. Mit ihm werden Strom und Wärme in einem Blockheizkraftwerk erzeugt, das neben dem Recycling-Turm steht. „Damit haben wir auch unsere eigene Energieversorgung“, sagt Klein.

Das Geschäftsmodell von Pyrum sieht jetzt so aus, dass das Unternehmen weitere Anlagen dieser Art nicht selbst betreiben will, sondern diese an Investoren weltweit verkauft, sie vor Ort aufbaut und sich auf Wunsch auch noch an den Reaktoren vor Ort beteiligt. „Wir wollen nicht nur projektieren, bauen und dann verschwinden, sondern den möglichst reibungslosen Betrieb sicherstellen“, betont Klein. Derzeit stehen seinen Angaben zufolge fünf Projekte fest. Eines davon in der Pfalz, ein weiteres im Südwesten Frankreich und ein drittes in Indonesien. Mehr will er mit Rücksicht auf die Kunden noch nicht verraten, aber auf der Internet-Seite werden der Kongo, Süd-Afrika, China, Spanien, Süd-Amerika und „viele andere Orte der Welt“ als mögliche Standorte genannt. Jede schlüsselfertige Anlage kostet die Kunden rund 20 Millionen Euro, so dass Pyrum für 2018 – das Jahr des Börsengangs – vorsichtig mit einem Umsatz von 80 Millionen Euro rechnet

Das Marktsegment scheint unerschöpflich zu sein. Denn Altreifen „sind im wahrsten Sinne des Wortes Altlasten“, sagt Pyrum-Vorstand Dossmann. So fallen allein in der EU 3,4 Millionen Tonnen pro Jahr an Altreifen an, weltweit sind es jährlich 13,5 Millionen Tonnen. Die meisten von ihnen würden verbrannt. Hinzu kommen Kunststoffe, die in den Pyrum-Reaktoren ebenfalls in ihre Bestandteile Öl, Gas und Koks zerlegt werden können – „und das rückstandsfrei“, erinnert Klein. Allein in Europa fallen 25 Millionen Tonnen Kunststoff pro Jahr an. Außerdem seien die Preise so, dass das Öl und der Koks mit Gewinn verkauft werden könnten.

Mit den Einnahmen aus dem Börsengang soll aber auch in Dillingen investiert werden. Etwa zwei Millionen Euro sollen in eine Schredderanlage fließen, mit der Reifen zerkleinert werden können. „Die Anlieferung des Gummi-Granulats ist sehr teuer. Das Geld können wir uns dann sparen und noch für andere schreddern“, betont der Pyrum-Vorstandschef. So soll auch die Zahl der Beschäftigten weiter steigen. Derzeit sind es lediglich 15 Mitarbeiter.

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