Preise im Supermarkt werden variabel

StWendel/Saarbrücken · Digitale Assistenten könnten Verbraucher bald nicht mehr nur auf ihrem Smartphone antreffen, sondern auch am Supermarktregal. Die Konzerne Globus und Kaiser's Tengelmann testen Systeme, die über elektronische Preisschilder und Kundenkarten Rabatte etwa auf Müsli oder Butter ausgeben.

 Im Globus-Versuchslabor: Beim Kauf von Vollkornmüsli zu 2,29 Euro zeigt das digitale Preisschild rechts in Rot, dass ein Kunde bei einem zusätzlichen Kauf des Knuspermüslis 25 Prozent spart. Foto: B&K

Im Globus-Versuchslabor: Beim Kauf von Vollkornmüsli zu 2,29 Euro zeigt das digitale Preisschild rechts in Rot, dass ein Kunde bei einem zusätzlichen Kauf des Knuspermüslis 25 Prozent spart. Foto: B&K

Foto: B&K

Supermärkte, die ihre Preise an Kaufentscheidungen ihrer Kunden anpassen, sind keine Zukunftsmusik mehr. Wie das funktioniert, demonstriert Gerrit Kahl vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) am Müsli-Berater im Versuchslabor der Handelsgruppe Globus. Das Regal ist mit Sensoren und elektronischen Preisschildern ausgestattet. Kahl greift zu einer Packung Früchte-Müsli. Kurz danach flackern die Displays auf: Der Preis auf Apfelringe wird um zehn Prozent auf 1,43 Euro gesenkt. Die Sesamkörner kosten nun 20 Prozent weniger. Das System hat über Sensoren erkannt, für welches Müsli sich der IT-Wissenschaftler entschieden hatte. Anschließend kombinierte es passende Rezeptvorschläge. Schmackhaft werden diese durch einen Preisnachlass gemacht.

Der M üsli-Berater ist noch ein Experiment in der Firmenzentrale von Globus in St. Wendel. Unter der Leitung von Gerrit Kahl tüfteln Forscher des Saarbrücker DFKI dort in einem vernetzten Test-Supermarkt. "Ein wichtiges Thema sind elektronische Etiketten, die die preislichen Anpassungen sofort abbilden können", sagt Johannes Scupin, Sprecher der Geschäftsführung von Globus. Anders als Rewe oder Edeka hat der saarländische Handelskonzern noch keine elektronischen Preisschilder eingeführt. Doch auch die Geschäftsführung von Globus sieht die Möglichkeit, mit der neuen Technik die Aufmerksamkeit der Käufer zu erhaschen. Anstatt wöchentlich pauschale Sonderaktionen auszurufen und die Kunden zu Schnäppchenkäufen aufzufordern, könnten Rabatte auf bestimmte Produkte dann einblendet werden, wenn der Verbraucher direkt vor dem Regal steht .

"Mit diesen Preisnachlässen versuchen die Händler, ihre Absätze zu steigern", sagt Gerrit Kahl. Nicht ohne Grund spricht der Wissenschaftler von "Anregungen zum Einkaufen". Denn wer auf die rabattierten Vorschläge des Müsli-Beraters spontan eingeht, kauft eben mehr ein. Die entsprechenden Nachlässe müssten aber für jeden nachvollziehbar sein, betonen Kahl und Scupin. Nur wer sich für das Früchte-Müsli entscheidet, kann zum reduzierten Preis die Apfelringe einkaufen.

Prognosen für Kaufverhalten

Der Sprecher ist nicht ohne Grund beim Thema Rabatte und elektronische Preisschilder so vorsichtig. Die Branche ist unsicher, wie die Verbraucher darauf reagieren, wenn sich vor ihren Augen die Preise auf den Anzeigen ändern.

Raimund Bau hält nichts von Flatterpreisen auf Preisschildern. Das verwirre den Kunden und erzeuge Unsicherheit. Der Geschäftsführer des Berliner Unternehmens Segment of One möchte individuelle Angebote zwischen Händler und Kunde aushandeln. Dafür hat die Firma die So1 Engine entwickelt. Das System ist derzeit in 30 Berliner Kaiser's Filialen im Test und nach einem Bericht der "Lebensmittel-Zeitung" auch in Märkten der Rewe-Tochter Penny. Sobald der Verbraucher an der Kasse steht, werden seine Einkäufe auf einer anonymen Extrakarte gespeichert und an die Server von So1 gesendet. Dort errechnet ein Programm, auf welche Lebensmittel der Kunde noch anspringen könnte und bei welchem Preis er zugreift. Je mehr Verbraucher ihre Einkaufs-Daten in das System einspeisen, desto treffsicherer werde die So1 Engine mit den Vorhersagen, erklärt Bau. Wenn der Kunde den Supermarkt wieder betritt, kann er an einem Terminal seine Karte auslesen lassen und erhält Vorschläge für sieben rabattierte Produkte.

Da nicht jeder Verbraucher die teure Markenbutter kaufen will, müsse der Supermarkt mit entsprechenden Rabatten einen Anreiz geben, sagt Bau. Der eine Kunde greift bei zehn Prozent Nachlass zu, der andere erst bei 40. Käufer scheint sich die Kette Kaiser's Tengelmann mit dieser Methode nicht zu vergraulen. "Die 60 000 Kunden nehmen die Extrakarte sehr gut an", sagt der Leiter für Unternehmensentwicklung, Dietmar Zühlke. Durch die individuellen Angebote hätten die Filialen ihre Absätze deutlich steigern können.

Meinung:

Der Einheitspreis wackelt

Von SZ-Redakteur Volker Meyer zu Tittingdorf

Die Deutschen lieben Schnäppchen und reagieren daher stark auf Rabatte . Doch wer zu viel Preisnachlass gewährt, verdient weniger. Der Baumarktkette Praktiker wurde eine falsche Rabattpolitik zum Verhängnis. So ist es zwar naheliegend, dass Globus und andere Supermarkt-Riesen mit individuelleren Rabattsystemen experimentieren, um Kunden an sich zu binden und sie zu mehr Käufen zu animieren. Doch bei aller Lust an neuen Wegen ist man zu Recht auch vorsichtig. Flatterpreise wie an Tankstellen können Kunden massiv verärgern. Vermutlich wird es daher noch dauern, bis der Einheitspreis fällt, doch der Abschied hat schon begonnen.

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