Interview Sebastian Dullien „Steuerwettlauf nach unten verhindern“

Berlin · Der Makroökonom fordert europäische Mindeststeuersätze und nationale Investitionen in die Infrastruktur.

 Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für  Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)

Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)

Foto: Peter Himsel

Die Union will Unternehmen steuerlich entlasten. Dagegen plant die SPD die Wiedereinführung der Vermögenssteuer – auch für Betriebe. Der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, warnt.

Brauchen deutsche Unternehmen eine Steuerentlastung?

DULLIEN Nein. Zwar hat sich durch die Steuersenkungen in den USA und einigen europäischen Staaten ein neuer Wettbewerbsdruck ergeben. Aber es wäre der falsche Ansatz, dem mit eigenen Steuersenkungen hinterherzulaufen.

Aber damit gerät die internationale Wettbewerbsfähigkeit heimischer Betriebe in Gefahr.

DULLIEN Einspruch. Die Steuersätze sind nicht das einzige Kriterium für die Attraktivität eines Standortes. Wer beim Billig-Discounter einkaufen geht, der muss damit rechnen, dass er für einen niedrigen Preis auch schlechte Ware bekommt. Bei Staaten kann das genauso sein. Letztlich schätzen viele Unternehmen ein Land mit besserer Infrastruktur und etwas höheren Steuersätzen mehr als umgekehrt eins mit schlechter Infrastruktur, aber niedrigeren Steuersätzen. In den USA etwa ist der Zustand des Straßennetzes zum Teil deutlich schlechter als hierzulande.

Also kein Grund zur Sorge?

DULLIEN Das aktuelle Unternehmenssteuer-Niveau ist jedenfalls kein Problem für die deutsche Wirtschaft. Auch war es ja so, dass die USA unter Berücksichtigung der Steuern in den einzelnen Bundesstaaten lange Zeit eine höhere betriebliche Steuerbelastung hatten als in Deutschland. Eher sind also die USA mit ihrer Senkung Deutschland gefolgt. Die europäische Strategie muss sein, einen weiteren Steuerwettlauf nach unten zu verhindern, indem Brüssel zum Beispiel Mindeststeuersätze festlegt. Und die nationale Strategie muss sein, stärker in die eigene Infrastruktur zu investieren.

Anders als die Union will die SPD mit einer neuen Vermögenssteuer auch Betriebe wie GmbHs zur Kasse bitten. Was halten Sie davon?

DULLIEN Da kommt es sehr auf die konkrete Ausgestaltung an. Aber es ist schon auffällig, dass die Union eher Steuersenkungen für Reiche im Sinn hat – Stichwort Komplettabschaffung des Soli – während die SPD die Reichen ins Visier nimmt, um sie stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen. Zur Wahrheit gehört hier aber auch, dass stärkere Schultern zum Beispiel über die Absenkung des Spitzensteuersatzes in den letzten Jahrzehnten massiv entlastet wurden.

 Wegen schwächelnder Konjunktur will die Union die Unternehmenssteuer senken. Die SPD fordert derweil eine Vermögenssteuer.

Wegen schwächelnder Konjunktur will die Union die Unternehmenssteuer senken. Die SPD fordert derweil eine Vermögenssteuer.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Durch eine Vermögenssteuer könnten Betriebe in ihrer Substanz gefährdet werden. Hinzu käme ein enormer bürokratischer Aufwand…

DULLIEN Wenn die Steuersätze so niedrig sind, wie es derzeit diskutiert wird, ist eine Substanzbesteuerung unwahrscheinlich. Aus bilanztechnischen Gründen müssen Unternehmen ihre Wertgegenstände übrigens ohnehin bewerten. Wenn dort etwa eine Kunstsammlung vorhanden ist, dann muss ihr Wert angegeben werden. Denn aus Sicht der Anleger ist das ein Teil des Unternehmensvermögens. Insofern dürfte sich der Bürokratieaufwand in Grenzen halten. Und wenn bei der künftigen Grundsteuer der Immobilienwert berücksichtigt wird, dann ist hier auch kein zusätzlicher Aufwand erforderlich. Im Übrigen ist Deutschland derzeit eher ein Sonderfall, weil es im Gegensatz zu vielen anderen Ländern keine Vermögensteuer hat.

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