Konzernumbau nimmt Fahrt auf Renaults Aufbruch in die elektrische Autowelt

Boulogne-Billancourt · Luca de Meo, der neue Mann an der Spitze, will den Fahrzeugbauer in den kommenden Jahren zum Technologiekonzern umbauen.

  Der französische Autohersteller steckt in einer tiefen Krise. Die Neuausrichtung wird daher von harten Sanierungsmaßnahmen begleitet.

Der französische Autohersteller steckt in einer tiefen Krise. Die Neuausrichtung wird daher von harten Sanierungsmaßnahmen begleitet.

Foto: dpa/Christophe Ena

Luca de Meo verliert keine Zeit. Der neue Chef des französischen Autobauers Renault treibt das Unternehmen mit entschiedenen Schritten in eine neue Zukunft. Seit über 120 Jahren baut Renault Autos, nun soll unter seiner Regie aus der Traditionsfirma ein softwaregetriebener Technologiekonzern werden.

Als erfahrener Automanager weiß de Meo natürlich, dass zu solch einem ambitionierten Projekt deutlich sichtbare Zeichen an die Käufer und die Konkurrenz gehören. So hat Renault in diesen Tagen angekündigt, in Zukunft das Tempo von Neuwagen zu begrenzen – es soll 180 Stundenkilometer nicht mehr überschreiten. Das sei Teil einer neuen Sicherheitsstrategie, die das Ziel verfolge, die Zahl der Unfälle im Straßenverkehr zu reduzieren, lautet die Begründung. Die Begrenzung gelte für Modelle der Marken Renault und Dacia. Unter dem Dach des Unternehmens befindet sich auch die Sportwagenmarke Alpine. Dass die Geschwindigkeit jener Fahrzeuge auch gedrosselt wird, ist allerdings eher unwahrscheinlich.

Die Konkurrenz hüllt sich angesichts der Ankündigungen in beredtes Schweigen, beobachtet den Schritt des Renault-Chefs aber sehr genau. Denn er bewegt sich auf einem sensiblen und sehr emotional aufgeladenen Gelände. Die Ankündigung sei reine Symbolik, ist unter der Hand zu vernehmen, da die Geschwindigkeit in Frankreich sowieso überall begrenzt ist. Die Verteidiger der freien Fahrt auf französischen Straßen äußern vor allem Spott. „Hat man je einen Twingo oder einen Clio mit 180 km/h gesehen“, höhnt Pierre Chasseray, Chef einer Auto-Lobbyorganisation mit dem Namen „40 Millions d’automobilistes“. Das sei eine lächerliche Maßnahme und entspringe einem „abgehobenen, politisch korrekten Diskurs intellektueller Eliten“.

De Meo lässt zudem keinen Zweifel daran, dass der Antrieb der Zukunft nicht der Verbrennungsmotor sein wird. Aus diesem Grund wird der Konzern auch hier zügig ausgerichtet. Der Chef gibt das ehrgeizige Ziel vor, dass Renault bei Autos mit Elektroantrieb in absehbarer Zeit Spitzenreiter in Europa sein will. 2025 solle der Anteil von elektrifizierten Personenwagen 65 Prozent betragen. 2030 sei dann ein Anteil von mindestens 90 Prozent geplant. Beim Ausbau der Elektromobilität kann Renault auf seine jahrelange Erfahrung mit dem Modell Zoe setzen, das zu den meistverkauften Elektrofahrzeugen in Europa gehört. Für einiges Aufsehen sorgte das Unternehmen zuletzt auch mit der Ankündigung, einen batteriebetriebenen Dacia auf den Markt zu bringen und ihn als günstigstes Elektroauto zu positionieren.

Doch was de Meo unter dem etwas sperrigen Namen „Renaulution“ vorschwebt, geht noch weiter. „Ich träume davon, Renault umzubauen“, sagte er Mitte April auf einer Veranstaltung für intelligente und nachhaltige Mobilität. Ziel sei es, nicht mehr Fahrzeuge zu konstruieren, in die Technologie eingebaut wird, sondern eine umfassende Technologie zu kreieren, in die die Fahrzeuge integriert werden. Das hat Konsequenzen für das gesamte Unternehmen. „Wir werden uns von einem Autokonzern, der mit Technologie arbeitet, zu einem Technologiekonzern entwickeln, der mit Autos arbeitet und bis 2030 mindestens 20 Prozent seines Umsatzes mit Dienstleistungen, Daten und Energiehandel erzielen wird“, erklärte de Meo, der vor seinem Engagement bei Renault viele Jahre bei Volkswagen gearbeitet hatte.

Beim Umbau des Konzerns ist der neue Renault-Chef allerdings ein Getriebener, denn das Unternehmen steckt tief in der Krise. Der Wandel in einen Technologiekonzern geht einher mit einer rigiden Sanierungsstrategie. Neben allerlei hausgemachten Problemen hatte zuletzt die Corona-Pandemie dem Konzern schwer zugesetzt. Die weltweiten Fahrzeugverkäufe der Franzosen brachen 2020 um mehr als 21 Prozent ein und bescherten einen Rekordverlust von acht Milliarden Euro. In den nächsten Jahren sollen deshalb weltweit 15 000 Stellen abgebaut werden und bis 2025 Kosteneinsparungen von rund drei Milliarden Euro erreicht werden.

Viele Beschäftigte sehen den geplanten Umbau allerdings vor allem als Bedrohung. So sorgte in diesen Tagen ein spektakulärer Fall von „Bossnapping“ für Aufmerksamkeit. Wütende Mitarbeiter eines Renault-Werks in dem bretonischen Ort Caudan hielten einen Tag lang Manager des Autokonzerns fest. Die Gießerei stellt seit 1965 unter anderem Motoren- und Auspuffteile her. Diese passen aber nicht mehr in die neue, saubere Welt der Elektroantriebe – die Fabrik soll verkauft werden.

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