Letzte Schicht Mit der Kohle endet eine Epoche

Bottrop · Es war zufällig der dunkelste, weil kürzeste Tag des Jahres, als gestern der Steinkohlebergbau zu Ende ging. Für viele ist es das Ende einer Ära.

 Bergleute umarmen sich vor dem Förderturm der Zeche Prosper-Haniel, wo der Bergbau feierlich beendet wurde.

Bergleute umarmen sich vor dem Förderturm der Zeche Prosper-Haniel, wo der Bergbau feierlich beendet wurde.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Die großen Pfützen auf dem Parkplatz der Zeche Prosper-Haniel in Bottrop sind an diesem Tag noch ein wenig kohlenstaubschwärzer als sonst. Es regnet in Strömen. Dutzende Grubenwehrleute in leuchtend orangen Feuerschutzanzügen und mit Helmlampen stehen tapfer an den Ecken und weisen die Autos ein. Einer von ihnen spricht sofort von dem Unglück im Bergwerk Ibbenbüren am vergangenen Montag, bei dem ein 29 Jahre alter Industriemechaniker unter Tage ums Leben kam. „Ich war nur 80 Meter entfernt, aber gehört habe ich nichts“, sagt er. Lebensgefährlicher Steinkohlenbergbau. Bis zuletzt.

Viele Politiker, Manager, Gewerkschafter sind am Freitag zur Zeche gefahren, um Abschied zu nehmen von einer Ära, einem der wichtigsten Kapitel deutscher Industriegeschichte: Nach rund 200 Jahren industriellen Steinkohlenbergbaus stellt die letzte deutsche Zeche offiziell ihre Förderung ein. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist gekommen. Ebenso EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Direkt am Förderturm von Schacht Haniel stehen sie in einer Halle zusammen und warten auf den letzten symbolischen Akt.

Die Stimmung ist gedämpft. Wenige sprechen miteinander. Die Gesichter sind ernst und angespannt. In seiner Rede erinnert der RAG-Vorstandsvorsitzende Peter Schrimpf an den Toten in Ibbenbüren und an die 13 Toten vom Donnerstagabend, die bei einem Grubenunglück in Tschechien ums Leben gekommen waren. Es ist ganz still, als sich dann das armdicke Stahlseil im Schacht in Bewegung setzt und einen Förderkorb nach oben zieht. Es scheppert und rasselt und dauert ein bisschen, bis die acht Bergleute in dem Korb über Tage sind. Zuletzt tritt Reviersteiger Jürgen Jakubeit aus der Kabine, ein stattliches, sieben Kilogramm schweres Stück Kohle in der Hand, das allerletzte in Deutschland geförderte Stück. Um 16.19 Uhr übergibt er es feierlich an den Bundespräsidenten.

Steinmeier hebt den Zusammenhalt und die Solidarität unter Tage hervor und spricht von dem Respekt, der den Bergleuten gebühre, die auch für einen Teil des Wohlstandes in Deutschland gesorgt hätten. Er hoffe, dass dies auch in den revierfernen Regionen nicht vergessen werde. In seiner Festrede fragt Steinmeier später rhetorisch, ob sich in den Milliarden Steuergeldern für den Bergbau nicht auch so etwas wie der Dank des Vaterlandes ausdrücke. Für die, die 1000 Meter unter der Erde in Hitze, Dreck und ständiger Gefahr Gesundheit und Leben riskiert haben.

Steinmeier erinnert an die vielen Zugewanderten aus Deutschland und Europa, aus Nordafrika und Korea, die im Steinkohlenbergbau Arbeit fanden. Und er erinnerte an die Frauen der Bergleute, die „unbesungene Heldinnen“ seien, deren Arbeit nicht weniger hart war. „Denken wir nur an die ewige, tagtägliche Mühe, die Wohnung und die Fenster und Kleidung sauber zu halten, inmitten des schwarzen Staubs.“

Und jetzt? „Es gibt hier viele, viele Voraussetzungen für eine gute Zukunft in der Region. Das Wichtigste sind die Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen, die in jedem Abschied auch einen neuen Anfang sehen“, sagt der Bundespräsident. Auch Steiger Thomas Sidzik hat nach der letzten Schicht noch viele Pläne. „Jetzt ist erstmal zu Hause dran. Jetzt kann ich das tun, was ich zu Hause die ganze Zeit nicht so genau machen konnte, renovieren zum Beispiel. Dann haben wir auch noch einen Garten.“

(dpa)
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