Verkehrsprojekte Mit 300 Kilometer durch den Thüringer Wald

Nürnberg · Die neue Schienenschnellstrecke der Bahn zwischen München und Berlin ist eröffnet. Erfurt ist der größte Gewinner.

 Bahnchef Richard Lutz hatte gestern einen guten Tag.

Bahnchef Richard Lutz hatte gestern einen guten Tag.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Die neue Schnellfahrstrecke der Deutschen Bahn zwischen München und Berlin ist eröffnet. Zwei ICE-Sonderzüge fuhren gestern Nachmittag in Berliner Hauptbahnhof zeitgleich auf benachbarten Gleisen ein. Der eine war in München losgefahren und kam nach knapp vier Stunden Fahrt an – so wie künftig die „Sprinter“ mit wenigen Haltebahnhöfen auf der Strecke. In den zweiten Zug aus Nürnberg war in Berlin-Südkreuz noch die Bundeskanzlerin Angela Merkel zugestiegen. Sie wurde vom Berliner Regierenden Bürgermeister Michael Müller am Bahnsteig begrüßt.

Bahnchef Richard Lutz hat die Eröffnung der Schnellfahrstrecke von München nach Berlin als „Meilenstein“ bezeichnet. Sie sei in jeder Hinsicht ein großer Fortschritt, sagte Lutz bei einem Festakt gestern in Nürnberg. Zum ersten Mal gehe es „in unter drei Stunden auf der Schiene von Nürnberg nach Berlin“. Damit sei die Bahn in „Schlagdistanz mit dem Flieger“. 17 Millionen Menschen profitierten von dem Projekt.

Der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) bezeichnete den Startschuss als „historisches Ereignis“. Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) ergänzte mit Blick auf die Entscheidung für das Projekt vor 25 Jahren: „Auch wenn es lange gedauert hat, hat die Bahn es im Schlussspurt geschafft, den Berliner Flughafen zu überholen.“

Mit dem Fahrplanwechsel an diesem Sonntag verringert sich die Fahrzeit auf den 623 Kilometern zwischen Berlin und München deutlich. Bislang braucht ein ICE dafür rund sechs Stunden. Die ICE-Sprinter schaffen das nach Angaben der Bahn künftig in knapp vier Stunden, mit dem normalen ICE mit mehr Haltebahnhöfen sind es knapp viereinhalb Stunden. Auf der Hochgeschwindigkeitstrasse und Zubringerstrecken will die Bahn zusätzliche Fahrgäste gewinnen.

Mit Tempo 300 in der Spitze rast der ICE Berlin-München auf der Neubaustrecke zwischen Erfurt und dem fränkischen Ebensfeld bei Bamberg von Tunnel zu Tunnel durch den Thüringer Wald. Die beiden längsten der insgesamt 22 Röhren auf diesem Abschnitt haben die Experten 8,3 sowie 7,4 Kilometer durch den Berg gesprengt. Das Gefühl, quasi unter dem Kamm des Mittelgebirges durchzusausen, erleben Reisende mit dem Fahrplanwechsel am Sonntag.

An dem Megaprojekt – Kosten: zehn Milliarden Euro – wurde seit 1996 gearbeitet. Die Bahn spricht vom „größten Bahnbauprojekt Deutschlands“. Geschlossen ist jetzt die letzte, 107 Kilometer lange Lücke zwischen Thüringen und Bayern auf der verkehrsträchtigen Nord-Süd-Magistrale. Auf etwa der Hälfte des Neubaustücks durch den Thüringer Wald geht es entweder durch Tunnel oder über 29 Talbrücken.

Einige Städte, darunter Thüringens Wirtschafts- und Wissenschaftszentrum Jena, fühlen sich zudem abgehängt vom ICE-Verkehr. Andere leiden unter den Schallschutzwänden entlang der Schnelltrasse. Seinen Ort Ebensfeld vergleicht Bürgermeister Bernhard Storath zur Illustration schon mal mit Berlin zu Zeiten der Mauer.

Als Gewinner des Großprojekts, für das Thüringen nach einem Baustopp Ende der 1990er Jahre in Vorleistung gegangen war, gilt Erfurt. Die Landeshauptstadt wird sich nach Meinung von Ministerpräsident Bodo Ramelow als Kongresszentrum profilieren. „Thüringen wird Deutschlands schnelle Mitte. Wir werden mit diesem Standortfaktor massiv werben“, kündigt der Linke-Politiker an. Auch eine ICE-City mit Bürobauten und Hotels soll wachsen. Rund 80 Fernverkehrszüge – auch in Ost-West-Richtung – halten  nun täglich in der Landeshauptstadt.  

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