Diesel Politik kämpft gegen Fahrverbote

In Städten, die die kritischen Stickoxid-Grenzwerte nur leicht überschreiten, will Merkel Fahrverbote nun gesetzlich verhindern.

 Für Hamburg, Berlin und Stuttgart sind Fahrverbote bereits beschlossen. Weitere Städte könnten folgen.

Für Hamburg, Berlin und Stuttgart sind Fahrverbote bereits beschlossen. Weitere Städte könnten folgen.

Foto: dpa/Marijan Murat

Berlin Kurz vor der Landtagswahl in Hessen kocht die Debatte über Diesel-Fahrverbote weiter hoch. Die Bundesregierung bekräftigte ihre Position, dass Sperrungen in Städten mit geringen Grenzwert-Überschreitungen bei der Luftverschmutzung in der Regel nicht verhältnismäßig wären. „Am Ende entscheidet eine Kommune selbst, ob sie ein Fahrverbot verhängt oder nicht“, sagte gestern ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Umweltverbände und Opposition kritisierten das Vorgehen. Morgen steht eine Gerichtsverhandlung über ein weiteres Fahrverbot an – in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Sonntagabend nach einer CDU-Sitzung gesagt, dass die Verhängung von Diesel-Fahrverboten nicht verhältnismäßig sei, wenn die Grenzwerte für Stickstoffdioxid nur in geringem Umfang überschritten werden. Entsprechend wolle ihre Partei die Gesetze dazu ändern.

Konkret wolle der Bund für Städte, die den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) je Kubikmeter Luft um höchstens zehn Mikrogramm überschreiten, „Klarheit bei der Verhältnismäßigkeit“ schaffen, erläuterte das Umweltministerium. Für Frankfurt mit einer Luftbelastung von zuletzt 47 Mikrogramm hat ein Gericht kürzlich Fahrverbote ab 2019 angeordnet, dagegen geht das Land juristisch vor.

Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das Fahrverbote für generell zulässig erklärt, die Umsetzung aber an die Verhältnismäßigkeit knüpft. Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) begrüßte die Pläne der Bundesregierung. Die Unverhältnismäßigkeit sei bisher aufwendig zu prüfen, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Eine gesetzliche Klarstellung würde helfen.

Der Anwalt der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die vielfach für Diesel-Fahrverbote vor Gericht zieht, hält das Vorhaben dagegen für wirkungslos. „Das ist eine Kosmetik, die an der Rechtslage überhaupt nichts ändert“, sagte Remo Klinger. „Der Bund kann nicht pauschal entscheiden, was für Städte verhältnismäßig ist.“ Fahrverbote müssten dem Bundesverwaltungsgericht zufolge verhängt werden, wenn andere Maßnahmen nicht genau so schnell dazu führten, den EU-Grenzwert einzuhalten. „Ein solches Gesetz müssen Gerichte ignorieren, da Rechtsvorschriften nicht beachtet werden dürfen, die verhindern, dass das Europarecht durchgesetzt wird.“ Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte, Merkel habe sich bei den Hardware-Nachrüstungen nicht durchsetzen können, nun wolle sie Beruhigungspillen verteilen. Die Einschätzung der Umwelthilfe blieb allerdings nicht unwidersprochen: Merkels Plan sei „möglich und angemessen“, sagte Rechtswissenschaftler Jörn Ipsen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Folgen eines Fahrverbots würden an deutschem Verfassungsrecht gemessen, sagte er.

Vor der Gerichtsverhandlung in Mainz warnten Stadt und Wirtschaft eindringlich vor den Folgen möglicher Fahrverbote. Dies würde die Mobilität massiv einschränken und das Problem nicht lösen, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Das Beispiel Hamburg, wo seit knapp fünf Monaten zwei Straßenabschnitte für ältere Diesel tabu sind, habe gezeigt, dass sich der Verkehr nur verlagere.

Neben Hamburg muss Berlin bis Mitte 2019 für mindestens elf Straßenabschnitte ein Fahrverbot verhängen. Auch in Stuttgart ist 2019 ein großflächiges Einfahrverbot geplant.

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