Trend bei der Deutschen Bahn Online-Tickets verdrängen den Schalter

Berlin · Fahrkarten über das Internet zu kaufen, ist für Millionen Bahnkunden mittlerweile Alltag. Die Deutsche Bahn will das Angebot weiter ausbauen.

 Fast jede zweite Fahrkarte verkauft die Bahn mittlerweile online.

Fast jede zweite Fahrkarte verkauft die Bahn mittlerweile online.

Foto: dpa/Annette Riedl

Man steigt mit Cargo-Hose in den Interregio, das Radio dudelt „Mambo No. 5“ und zu Hause rödelt ein 56-k-Modem. Unter Pfeifen und Knarzen öffnet sich der Weg ins Internet: Das war die Welt 1999, und das weltweite Netz war für viele Neuland. Dennoch lief am 25. Oktober Deutschlands erstes digitales Bahnticket aus einem Computerdrucker. 20 Jahre später ist es normal, online zu buchen, und das Ticket in der App verdrängt nach und nach den Ausdruck.

Doch für Bahnfahrer sind weitere Neuerungen in Arbeit. Spätestens 2021 sollen sie Fahrkarten auch per Sprachbefehl ordern können, kündigte Bahn-Vorstandsmitglied Sabina Jeschke an. Eine komplett neue IT-Landschaft für die Vertriebssysteme sei in Arbeit. Sie soll dann endlich auch das ungeliebte Papierformular für die Fahrpreiserstattung überflüssig machen.

Aus Kundensicht hat sich das Online-Ticket bewährt, wie es beim Fahrgastverband Pro Bahn heißt. „Das ist ein absoluter Erfolg“, sagt der Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann. Die Bahn habe sich damals auf den richtigen Weg begeben. Eines aber habe sie versäumt: Ticketverkaufsstellen in Drogerien, Buchhandlungen oder anderen Geschäften an Bahnhöfen einzurichten. Als Ersatz für geschlossene Fahrkartenschalter. „Da war die Bahn nicht mutig genug“, sagt Naumann.

Schon knapp jede zweite Fahrkarte verkauft sie heute online – 1999 war das noch revolutionär. Denn nur einer von vierzig Deutschen hatte einen eigenen Internetzugang, wie die Weltbank verzeichnete. Bei Lufthansa kaufte noch weniger als ein Prozent der Passagiere das Ticket im Netz.

Bei der Bahn konnten Kunden zunächst nur für bestimmte Direktverbindungen im Fernverkehr verbilligte Fahrkarten im Netz buchen und selbst ausdrucken. Auf das Pilotprojekt folgte drei Jahre später das heutige Online-Ticket auf bahn.de.

Heute wachsen die Zahlen noch immer, noch stärker aber steigen sie beim Handy-Ticket in der hauseigenen App DB Navigator. Wer damit selber eincheckt, kann sich die spätere Fahrkartenkontrolle ersparen.

Im Reisezentrum wird noch knapp jede siebte Fahrkarte gekauft. Die Zahlen gehen ebenso stetig zurück wie beim Automatenverkauf. Ohne Reisezentrum gehe es aber nicht, meint Fahrgastvertreter Naumann: „Komplexere Dinge – Schlafwagenreservierungen und Auslandsfahrkarten etwa – die sind am Schalter einfacher.“

Noch 2002 gab es 750 Reisezentren, heute sind es knapp 400, die vor allem ältere Kunden nutzen, wie die Bahn beobachtet. Viele frühere Fahrkartenverkäufer übernehmen wegen des Online-Tickets inzwischen andere Aufgaben bei der Bahn.

Man komme am Online-Vertrieb nicht vorbei, sagt Klaus-Dieter Hommel, der Vizevorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. Die Bahn dürfe aber den persönlichen Kontakt zu den Kunden nicht verlieren, warnt der Gewerkschafter. „Kommt es zu Störungen oder Ausfällen, kann nur ein Mensch weiterhelfen.“ Die Gewerkschaft vermisst Visionen für lebendige Bahnhöfe als gesellschaftliche Treffpunkte. „Dabei ist der Service die entscheidende Rolle, die unsere Kolleginnen und Kollegen mit Leben erfüllen wollen – wenn man sie denn ließe.“

Ein Ticket ausdrucken? Im Jahr 2019 wirkt das schon etwas angestaubt, so lesen sich zumindest die Kundentipps der Bahn. Sie empfehlen Reisenden: Eilige sollten mit dem Navigator ein Handy-Ticket buchen. „Wenn Sie Altbewährtes mögen und ein Ticket auf Papier bevorzugen, dann reisen Sie mit dem ausgedruckten Online-Ticket.“

(dpa)
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