Führungswechsel ohne Folgen Das Erbe des scheidenden EZB-Chefs

Frankfurt · Zu Mario Draghis Abschied untermauert die Europäische Zentralbank ihre Politik des extrem billigen Geldes.

  Christine Lagarde löst Mario Draghi an der Spitze der EZB ab.

Christine Lagarde löst Mario Draghi an der Spitze der EZB ab.

Foto: dpa/Julien Warnand

Mario Draghis Amtszeit als EZB-Präsident endet mit einer Zementierung des Zinstiefs. In der letzten Sitzung unter Leitung des Italieners bekräftigte die Europäische Zentralbank (EZB) den Mitte September nochmals verschärften Kurs. Mit einem Leitzins auf dem Rekordtief von null Prozent, Negativzinsen von 0,5 Prozent für geparkte Gelder von Banken und frischen Milliarden für den Kauf von Staatsanleihen will die EZB der Konjunktur im Euroraum auf die Sprünge helfen.

Die achtjährige Amtszeit des 72-jährigen Draghi endet am 31. Oktober. Zum 1. November rückt die bisherige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde (63), als erste Frau auf den EZB-Chefposten. Lagarde übernimmt einen gespaltenen EZB-Rat. „Die Schockwellen der September-Beschlüsse hallen immer noch durch die Flure des EZB-Gebäudes“, sagt ING-Deutschland-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger erklärte ihren vorzeitigen Rücktritt aus dem sechsköpfigen Führungsgremium zum 31. Oktober 2019. Sie hatte sich wiederholt kritisch zu den Anleihenkäufen geäußert, die vom 1. November an mit monatlich 20 Milliarden Euro wiederaufgenommen werden sollen.

Als Nachfolgerin Lautenschlägers hat die Bundesregierung, die in diesem Fall das Vorschlagsrecht hat, die „Wirtschaftsweise“ Isabel Schnabel nominiert. Neu ins EZB-Direktorium einrücken soll zudem der Italiener Fabio Panetta als Nachfolger des Franzosen Benoît Cœuré, dessen achtjährige Amtszeit am 31. Dezember 2019 zu Ende geht.

„Wer nun unter Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde auf einen Kurswechsel hofft, dürfte enttäuscht werden“, analysiert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Die Französin hat Draghis Geldpolitik stets unterstützt und wird als ehemalige Finanzministerin viel Verständnis für die Wünsche ihrer ehemaligen Kollegen aus dem hoch verschuldeten Süden der Währungsunion aufbringen.“ Lagarde selbst hatte nach ihrer Nominierung deutlich gemacht, dass sie eine sehr lockere Geldpolitik auf absehbare Zeit für nötig hält.

Hauptziel der Währungshüter sind stabile Preise. Mittelfristig strebt die EZB für den Währungsraum mit seinen 19 Ländern eine Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent an. Dieses Ziel ist jedoch in weite Ferne gerückt: Im September fiel die Inflation im Euroraum nach Eurostat-Berechnungen mit 0,8 Prozent auf den tiefsten Stand seit fast drei Jahren.

Mit einer Flut billigen Geldes versuchen die Währungshüter seit Jahren, die Wirtschaft anzukurbeln und die Inflation in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels zu treiben. Der Strafzins soll Banken dazu bewegen, mehr Kredite zu vergeben, statt Geld bei der EZB zu parken. Schuldner profitieren im Zinstief von günstigen Konditionen.

Mit der Neuauflage der Wertpapierkäufe will die EZB Konjunktur und Inflation zusätzlich auf die Sprünge helfen. Der Kauf von Staatsanleihen hilft Regierungen, sich günstiger frisches Geld zu besorgen. Denn wenn die EZB große Bestände kauft, müssen Staaten für ihre Wertpapiere keine hohen Zinsen bieten. Zugleich pumpt die Notenbank über Wertpapierkäufe viel Geld in den Markt. Von März 2015 bis Ende 2018 steckte die EZB rund 2,6 Billionen Euro in Anleihen.

Kritiker argumentieren, mit Anleihenkäufen betreibe die Notenbank verbotene Staatsfinanzierung und bremse politische Reformen, weil sich Regierungen auf das billige Zentralbankgeld verließen.

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