Mahlers Liebe zum Leben und Ekel davor

Saarbrücken · Zu Gast in der 4. SR-Soirée am Donnerstag in der Congresshalle war das "Orchestre National de Belgique" unter seinem Musikdirektor Andrey Boreyko. Mit dabei die legendäre russische Pianistin Elisabeth Leonskaja. Wie oft wohl mag sie Robert Schumanns Klavierkonzert a-moll im Laufe ihres reichen Künstlerlebens gespielt haben?

Es schien, als wäre romantische Emphase bedächtiger Abgeklärtheit gewichen, virtuoser Impetus zum auf Sicherheit achtenden Verlauf geworden. Die Musik floss dahin, sachlich, nicht ganz makellos, wenig inspirierend. Schön, dass wenigstens die Orchestertuttis zaghaft die "blaue Blume" (der Romantik) knospen ließen. Der ehrerbietige Beifall erbat eine Zugabe: Schuberts "Impromptus As-Dur" in ebenfalls eigenwilliger Interpretation.

Schwergewichtiges Hauptwerk war Gustav Mahlers 1. Sinfonie, deren nach der Uraufführung eliminierter Satz "Blumine" harmlos, mit bescheidenem Trompetensolo das Programm eröffnet hatte. Jetzt konnte das groß besetzte Orchester seine Qualitäten ausspielen. Viel hat Mahler selbst zu seinem sinfonischen Erstling geäußert, Leonard Bernstein hat Tiefsinniges beigetragen: "Es geht um den Konflikt zwischen heftiger Liebe zum Leben und dem Ekel vor dem Leben, zwischen leidenschaftlicher Sehnsucht nach dem Himmel und der Angst vor dem Tode." Boreyko verstand es, ohne zu outrieren, diese Aspekte kontrastreich gegenüberzustellen, zu verknüpfen, eindringlich zu machen. Er tat es mit stimmgewaltigen Hörnern, profundem Blech, schlagkräftiger Perkussion, mitunter unsicherem Holz und flexibel reagierenden klangvollen Streichern, die von Fortissimo-Dichte bis zum verstummenden Pianissimo alle Valeurs beherrschten. Eine spannungsreiche, beeindruckend maßvolle Interpretation.

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