Feuerprobe für den Präsidenten Macron beschneidet das Arbeitsrecht

Paris · Die Arbeitsmarktreform ist der erste Schritt in Macrons Reformpuzzle. Jetzt lautet die Frage: Steht die Regierung vor einem heißen Herbst?

Der Einsatz ist hoch – so hoch, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron selbst in den Ring steigt. Just an dem Tag, an dem die Regierung ihre umstrittene Arbeitsmarktreform vorstellt, verteidigt der sozialliberale Staatschef in einem 16-seitigen Interview seinen Kurs. „Man muss den Dingen ins Auge sehen“, mahnt er im Magazin „Le Point“. „Wir sind die einzige große Wirtschaft der EU, die die Massenarbeitslosigkeit seit mehr als drei Jahrzehnten nicht besiegt hat.“ Seit seiner Wahl war Macron Journalistenfragen zur Innenpolitik meist aus dem Weg gegangen. Doch jetzt hat der in Umfragen abgestürzte Präsident begriffen, dass er aus der Deckung kommen muss. Eine Änderung des Arbeitsrechts ist seine Feuerprobe. Das erste wirtschaftspolitische Vorhaben muss glatt laufen, sonst geriete die Reformagenda, mit der Macron der französischen Wirtschaft neuen Schwung verleihen will, wenige Monate nach dem Einzug in den Élysée-Palast ins Wanken.

Was Premierminister Edouard Philippe gestern vorlegte, „ist ein tiefer Einschnitt in die bisherigen Arbeitsrechtsvorschriften in Frankreich“, sagt Jens Althoff, Leiter des Pariser Büros der Heinrich-Böll-Stiftung. „Da sind einige bittere Pillen für die Arbeitnehmer dabei.“ So beklagt die französische Linkspartei einen „Angriff auf das Arbeitsrecht“, der die Arbeitsverhältnisse prekärer mache.

Das von der Wirtschaft häufig als starr kritisierte französische Arbeitsrecht soll nach den Plänen flexibler werden. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sollen sich so besser an ihre Geschäftslage anpassen können. Die Reform stärkt die Rolle von Branchen- und Betriebsvereinbarungen: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen Details der Arbeitsbedingungen wie etwa Prämien häufiger direkt miteinander aushandeln können. In kleinen Firmen mit weniger als 50 Mitarbeitern können die Gewerkschaften dabei außen vor bleiben.

Die Reform lockert teilweise auch den Kündigungsschutz. Entschädigungen für ungerechtfertigte Kündigungen werden gedeckelt: Ein Arbeitsgericht kann einem Mitarbeiter, der zehn Jahre bei einer Firma tätig war, dann höchstens zehn Monatsgehälter zusprechen. Bislang gibt es in der Rechtsprechung große Unterschiede. Im Gegenzug steigen die Abfindungen bei rechtmäßigen Kündigungen.

Die Regierung spricht von einer „ausgewogenen“ Reform. Sie hofft, dass Unternehmen mit den neuen Regeln eher bereit sind, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen. Frankreich leidet seit Jahren unter einer hohen Arbeitslosigkeit. Sie lag nach Angaben von Eurostat zuletzt bei 9,8 Prozent und damit viel höher als in Deutschland. Unter jungen Leuten suchen sogar 23,4 Prozent einen Job. „Das französische System beschützt sehr gut die Insider, die von einem stabilen Vertrag profitieren, aber zum Preis des völligen Ausschlusses der anderen (der Jüngsten und der am wenigsten Qualifizierten)“, sagt Macron.

Während Wirtschaftsverbände die Reform positiv einschätzen, überwiegt bei den Gewerkschaften die Kritik. Selbst die moderate CFDT zeigt sich enttäuscht: Der „Dogmatismus“ habe sich bei manchen Themen durchgesetzt, sagt der Vorsitzende Laurent Berger. Eine breite Widerstandsfront zeigt sich bislang jedoch nicht. Von den größten Gewerkschaften hat nur die linke CGT Proteste für den 12. September angekündigt. „Alle unsere Befürchtungen haben sich bestätigt“, sagt deren Chef Philippe Martinez.

Die Gewerkschaft Force Ouvrière, im vergangenen Jahr noch in der ersten Reihe gegen eine Arbeitsmarktreform der vorherigen Regierung, äußert sich differenzierter: Sie hebt hervor, dass die Regierung in einigen Punkten auf die Gewerkschaften gehört habe. Möglich also, dass die Strategie des Dialogs, den die Arbeitsministerin mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften geführt hat, sich auszahlt.

Die Aussichten, das Vorhaben noch zu stoppen, sind mau. Das Parlament hat der Regierung eine Art Vollmacht gegeben, die Reform mit den nun vorgestellten fünf Verordnungen einfach zu erlassen. Sie sollen am 22. September verabschiedet werden. Premierminister Edouard Philippe macht bereits klar, dass es bis dahin allenfalls kleine Änderungen geben soll. Das Parlament, in dem Macron eine klare Mehrheit hinter sich weiß, stimmt dann nur pauschal darüber ab, ob die Reform Gesetz wird.

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