Flugscham ist die Ausnahme Flugbranche tut sich in der Klimafrage schwer

Frankfurt · Der Flugverkehr gilt als Klimakiller. Die Branche kämpft daher um ihr Image. Die Reisenden wollen aber auch aufs Fliegen nicht verzichten.

 Wer beim Fliegen ein schlechtes Gewissen hat, kann für Klimaprojekte spenden. Dazu sind aber nur die wenigsten Fluggäste bereit.

Wer beim Fliegen ein schlechtes Gewissen hat, kann für Klimaprojekte spenden. Dazu sind aber nur die wenigsten Fluggäste bereit.

Foto: dpa/Daniel Reinhardt

Noch ist „Flugscham“ lediglich ein vor allem in Skandinavien verbreitetes Schlagwort. Weder auf dem deutschen noch auf dem internationalen Luftverkehrsmarkt halten sich die Kunden beim Buchen von Flugreisen merklich zurück. Der nach der schwedischen Aktivistin Thunberg benannte „Greta-Effekt“ lässt auf sich warten. Nach Einschätzung des Airline-Verbandes IATA wird auch in diesem Jahr die globale Passagierzahl um fünf Prozent auf 4,6 Milliarden zulegen.

Doch das Image der Branche hat in den Zeiten des Klimawandels deutliche Kratzer erhalten. „Sie sind mitverantwortlich für den Sturzflug unserer Erde“, schleuderte beispielsweise der „Fridays for Future“-Aktivist Maximilian Reimers dem Lufthansa-Chef Carsten Spohr auf der Hauptversammlung entgegen. Zwar ist der Luftverkehr nur für knapp drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, doch fehlt es angesichts des stetigen globalen Wachstums an einer positiven Perspektive in diesem Sektor.

Anders als im landgebundenen Verkehr oder bei der Energiegewinnung stehen bei Flugzeugen mittelfristig keine technische Alternativen zu den Verbrennungsmotoren zur Verfügung. Der enorme Energiebedarf von Flugzeugmotoren bringt batterie-elektrische Lösungen schnell an die Grenzen. Brennstoffzellenflugzeuge befinden sich bislang noch im Forschungsstadium. Mit ihnen wäre emissionsfreies Fliegen möglich. Auf absehbare Zeit bleibt die schnelle Flotten-Modernisierung der größte Hebel der Airlines, um umweltschonender unterwegs zu sein. Der irische Billigflieger Ryanair reklamiert für sich, mit 66 Gramm pro Personenkilometer die geringsten CO2-Emissionen in der europäischen Luftfahrtindustrie auszustoßen. Hilfreich sind dabei die hohe Auslastung der Jets (96 Prozent) und das geringe Durchschnittsalter der Flotte von gerade einmal sechs Jahren.

Politisch steht die weltweite Nicht-Besteuerung des Flugbenzins zur Debatte. Nationale Alleingänge bei einer Kerosinsteuer hätten den Nachteil, dass sie heimische Gesellschaften und Flughäfen einseitig belasten würden, argumentiert der deutsche Branchenverband BDL. Passagiere könnten wegen der geringeren Ticketpreise auf Flughäfen  im kerosinsteuerfreien Ausland ausweichen. Das ist im geringen Umfang bereits nach Einführung der Luftverkehrssteuer im Jahr 2011 geschehen, die jährlich mehr als eine Milliarde Euro in die Bundeskasse bringt.

Die gerade noch amtierende EU-Kommission hat die Auswirkungen einer europaweiten Kero­sinsteuer untersuchen lassen, eine politische Mehrheit gibt es dafür aber nicht. Laut dem vom Verband Transport & Environment öffentlich gemachten Bericht könnte der CO2-Ausstoß durch die rund zehn Prozent teureren Tickets um elf Prozent gedrückt werden. Europas Luftverkehr nimmt zudem bei Kontinentalflügen bereits am Emissionshandel für Industrie und Energiewirtschaft teil.

Bei aller klimaschädlichen Fliegerei will die Branche zumindest am Boden eine weiße Weste bekommen. Wärme, Strom und der Verkehr auf dem Vorfeld sind Ansatzpunkte für die Mitglieder des Flughafenverbandes ADV, die ihre CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 mindestens halbieren wollen. Auch die Lufthansa setzt am Boden auf Ökostrom sowie E-Autos und will dort bis 2030 klimaneutral werden.

In der Luft hilft hingegen zunächst nur Kompensation – Freikaufen oder Ablasshandel nennen das die Umweltaktivisten. Auf freiwillige Abgaben der Passagiere durfte man dabei bislang nicht hoffen. Ungeachtet wohlfeiler Äußerungen in Umfragen ist nur ein Bruchteil der Fluggäste bereit, über Anbieter wie Atmosfair oder Myclimate für Klimaschutzprojekte zu spenden.

Auf Industrieseite setzt der Air­line-Verband IATA auf das zunächst freiwillige Kompensationsprogramm „Corsia“, dem sich bislang vor allem westliche Staaten angeschlossen haben. Oberhalb des Schadstoff-Niveaus von 2020 muss jedes zusätzliche Gramm CO2 mit entsprechenden Zertifikaten kompensiert werden. Die Organisation rechnet bis 2035 mit einem Aufkommen von 2,5 Milliarden Tonnen mit einem Kompensationswert von annähernd 40 Milliarden Dollar. Diese Emissionen würden nicht vermieden, sondern lediglich über Klimaprojekte kompensiert. Langfristig soll 2050 ein Schadstoff-Niveau erreicht werden, das der Hälfte von 2005 entspricht.

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