Wohnungsnot Baulandreserve über dem Supermarkt

Berlin · Die Wohnungsnot in manchen Städten ist groß. Eine Studie sieht riesige Potenziale, etwa auf Dächern von Supermärkten.

 Auf dem Dach dieser Lidl-Filiale in Berlin sind Wohnungen enstanden. Solche Aufstockungen können Wohnungsmangel bekämpfen.

Auf dem Dach dieser Lidl-Filiale in Berlin sind Wohnungen enstanden. Solche Aufstockungen können Wohnungsmangel bekämpfen.

Foto: Wolfgang Kumm/dpa/Wolfgang Kumm

In vielen Ballungsgebieten explodieren die Mieten. Bauland ist knapp und teuer. Rund eine Million Wohnungen fehlen. Dabei liegt laut einer „Deutschlandstudie“ der Technischen Universität Darmstadt ein Teil der Lösung buchstäblich vor der Haustür: Viele wertvolle Innenstadtflächen werden mit eingeschossigen Supermärkten oder Parkhäusern vergeudet; Bürogebäude stehen leer. Es ließen sich kurzfristig bis zu 2,7 Millionen Wohnungen allein in den Mangelregionen schaffen, ermittelten die Forscher.

Das größte Potenzial bildet nach Meinung der Forscher mit 1,1 bis 1,5 Millionen möglichen Wohnungen die Aufstockung auf bestehenden Wohngebäuden. Gefolgt von 560 000 Wohnungen, die auf Büro- und Verwaltungsgebäuden entstehen könnten. Supermärkte in meist eingeschossigen Flachbauten blockieren Flächen für weitere 400 000 Wohnungen. Auch die überdimensionierten Parkflächen vieler Discounter könnten mit bebaut werden; nur 20 Prozent der Käufer kommen im Durchschnitt mit dem eigenen Auto.

Ein Problem gibt es jedoch: Die typischen Flachbauten der Discounter lassen sich nicht einfach aufstocken, sondern müssten für Neubauten mit integrierter Verkaufsfläche abgerissen werden. Beispiele dafür gibt es bereits. Bei Wohn- und Bürogebäuden, die typischerweise drei bis fünf Geschosse haben, ist eine Aufstockung um bis zu drei Etagen nach Angaben der Wissenschaftler in der Regel unproblematisch. Zwar sind die reinen Baukosten höher als bei einem Neubau, doch rechnet sich die Maßnahme schon ab einem Bodenrichtwert von 240 Euro je Quadratmeter. Der wird in den meisten Gebieten mit Wohnraummangel derzeit deutlich überschritten.

Es gibt bereits prominente Beispiele. In Berlin wird gerade eines der bekanntesten Hochhäuser der Stadt zu einem Wohngebäude umgerüstet, der 120 Meter hohe „Steglitzer Kreisel“, der früher die Bezirksverwaltung von Steglitz beherbergte. Schon fertig ist der Umbau des ehemaligen Hochhauses des Bundesverbandes der Deutschen Industrie in Köln, das jetzt 132 attraktive Wohnungen enthält. In verschiedenen Städten planen Aldi und Lidl Wohnprojekte über ihren Filialen. Die Forscher präsentierten zahlreiche auch architektonisch gelungene Beispiele.

Die Möglichkeit der Nachverdichtung wird noch nicht oft genutzt, weil es viele bürokratische Hindernisse gibt. Auch formiert sich mitunter Widerstand, etwa von Anwohnern anliegender Häuser, denen die vorher freie Sicht genommen wird. Ein Bündnis aus Bau- und Archtitektenverbänden präsentierte am Mittwoch einen Forderungskatalog. Die zulässige Geschossflächenzahl müsse „urban angemessen“ gestaltet und eine Überschreitung bei Aufstockungen zugelassen werden. Der baupolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sören Bartol, sagte unserer Redaktion, man brauche kreative Ideen, um Flächenfraß zu vermeiden. Allerdings dürfe der Ausbau von Dachgeschossen und die Umwandlung von Büros und Fabrikgebäuden nicht zum Spekulationsobjekt von Investoren für Luxuswohnungen werden. „Die Wohnungen müssen zu bezahlbaren Preisen gebaut und vermietet werden“, betonte Bartol.

Die komplette Studie gibt es unter:

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