Liebenswerte Mangelwirtschaft

Saarbrücken · Seit 16 Jahren ist der Etat der Europäischen Kinder- und Jugendbuchmesse nicht erhöht worden. Nicht nur dies, sondern auch exzessive Brandschutzauflagen machen ihr zu schaffen. Was sie auf die Beine stellt, bleibt dennoch beachtlich: ein Rundgang.

Es wird Zeit, dass die Politik endlich Farbe bekennt. Entweder sie will diese zweifelsohne verdienstvolle Europäische Kinder- und Jugendbuchmesse erhalten, deren Stellenwert sie in rituellen Sonntagssprechblasenreden (so wie einmal mehr gestern zur Eröffnung) gerne herausstellt - dann muss sie diese endlich angemessen alimentieren. Oder aber sie ist bereit, ihre Auszehrung hinzunehmen. Weil das jedoch ein Ende auf Raten hieße, darf es so nicht länger weitergehen.

So rührig sich Astrid Rech (unterstützt von ihrer im Hintergrund als Geschäftsführerin noch immer leidenschaftlich assistierenden Mutter Yvonne Rech) auch müht und trotz eines beschämenden Budgets (etwa 50 000 Euro, davon 17 000 öffentliche Förderung) Jahr für Jahr ein bemerkenswertes Programm auf die Beine stellt: Man sieht und spürt, wie sehr mittlerweile Mangelwirtschaft regiert. Im Grunde stemmen die Rechs die Messe ohne Personal. Die angeheuerten Praktikanten täuschen darüber hinweg, dass es nur eine einzige Planstelle gibt: die von Leiterin Astrid Rech, bezahlt vom saarländischen Kulturministerium. Von Büromaterialien bis zur PR-Arbeit, vom Druck des Programms bis zur Deko, von den Hotelbuchungen für die Autoren bis zur Verlagsakquise muss alles über Rechs Schreibtisch gehen. Nennt man das einer solchen Messe, die das Projekt Europa ernst nimmt und Grenzüberschreitung pflegt, würdig?

Was ihr (und allen erdenklichen Kulturinitiativen und Formen bürgerschaftlichen Engagements) das Leben zusätzlich schwer macht, ist eine Art Diktatur des Brandschutzes. Dessen exzessive Auflagen sind der Grund dafür, dass die Messe das Schloss nur noch in Teilen (nämlich für Lesungen) nutzen und dort genauso wie vis à vis im VHS-Gebäude, wo die Verlage ausstellen, weitgehend Sterilität regiert. Sind Fluchtwege und Freiflächen doch zur Hauptsache geworden. Die Folge davon ist, dass der frühere, improvisatorische Charme der Messe flöten geht. Die aus der Not geborene Zweiteilung (Lesungen im Schloss, Bücherstöberei im VHS-Gebäude) reißt ihr Herz in zwei Stücke und lässt es beide Male halbherzig schlagen.

All das aber heißt nicht, dass es nichts zu sehen und zu entdecken gäbe. Gestern, am ersten Messetag, schwirrten allerlei Schulklassen herum. Wer sich Zeit nahm, fand kleine Juwelen: am Stand des der Messe seit Jahren die Treue haltenden Eckart Schott Verlages etwa Comics des Zeichners Gibrat; an Patrick Feltes' Pop-up-Bücherstand (seiner Privatsammlung) die im britischen Kleinverlag Shade 7 Publishing erschienene Bebilderung einer Sure aus dem Koran; in der überbordenden Koje der katalanischen Verlage haufenweise herrlich illustrierter Bücher; an einem der beiden Gemeinschaftsstände namhafterer deutscher Kinderbuchverlage - die nur noch in Frankfurt und Leipzig persönlich Flagge zeigen- die Reihe "Weltliteratur für Kinder" aus dem Tulipan Verlag. Wobei es ein Manko aller neuen Verlagsstände ist, dass die Griffhöhe der Regale alles andere als kindertauglich ist.

Grundsätzlich sollte man vorab das Programm studieren (www.buchmesse-saarbruecken.eu ). Sind doch Lesungen und der Kontakt mit Autoren wie Illustratoren ihr größtes Pfund. Wobei man sich fragt, wie es Astrid Rech schafft, ihren Autoren noch Spesen und Honorare zu zahlen. Sie tut es. Spitz auf Knopf. Ohne die großzügige Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung aber wäre etwa der Gastlandauftritt der Ukraine undenkbar gewesen. Sponsoren braucht es, doch ersetzen sie nicht die Verantwortung der öffentlichen Hand.

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Auf einen Blick Einige Empfehlungen aus dem reichen Messeprogramm: Heute: 12 Uhr, Schloss (Raum 2): Ulf K.: Neue Geschichten von Vater und Sohn - nach e.o.plauens Bildergeschichten (Lesung); 11 und 14 Uhr, Schloss (Raum 2): Susan Kreller: Schneeriese (Lesung); 15 Uhr, Schloss (Festsaal): Verleihung des 4. deutsch-französischen Jugendliteraturpreises. Samstag: 12 Uhr, Schloss (Raum E): Frösche küsst man nicht (Papiertheater mit Birthe Thiel); 12 Uhr, VHS-Gebäude (Raum Forum): "Kinder- und Jugendliteratur in der Verantwortung" (Gesprächsrunde); 12 und 14 Uhr, Schloss (Raum 1): Mehrnoush Zaeri-Esfahani: Das Mondmädchen (Lesung); 14 Uhr, Pavillon vorm Schloss: Dans la forêt des masques (Workshop mit Laurent Moreau); 15 Uhr, Schloss (Raum 1): Vorstellung der Graphic Novel "Golem" von Jean Villemin. Sonntag: 15 Uhr, Schloss-Platz/-Garten: Abschlussfest. red

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