„Liebe allein ist keine Basis“

Maiwenn Le Besco begann als Kinderstar, war die junge Freundin von Kultfilmer Luc Besson, der sie für „Léon - Der Profi“ und für „Das fünfte Element“ besetzte. Als Regisseurin und Hauptdarstellerin sorgte sie 2011 in Cannes mit ihrem Dokufiktion-Drama „Poliezei“ für Furore und wurde mit dem Jury-Preis ausgezeichnet. Ihr neuer Film „Mein Ein, mein Alles“ mit Emmanuelle Bercot und Vincent Cassel erzählt die Geschichte eines Liebespaares, dem die Leidenschaft abhanden kommt. Mit der 39-Jährigen, die vorzugsweise mit ihrem bretonischen Vornamen auftritt, unterhielt sich unser Mitarbeiter Dieter Oßwald.

 Das Glück scheint vollkommen – aber der Schein trügt: Georgio (Vincent Cassel), Tony (Emmanuelle Bercot) und ihr Neugeborenes. Fotos: Studiocanal

Das Glück scheint vollkommen – aber der Schein trügt: Georgio (Vincent Cassel), Tony (Emmanuelle Bercot) und ihr Neugeborenes. Fotos: Studiocanal

Sie erzählen von einer Liebe, der irgendwann die Leidenschaft abhanden kommt. Worum geht es für Sie bei dieser Liebe?

Maiwenn: Es ist die Geschichte von einer Frau und einem Mann, die nichts gemeinsam haben. Sie haben unterschiedliche Freunde, verschiedene Interessen, kaum Schnittmengen bei ihrer Lebensgestaltung. Dann verlieben sie sich, doch die Liebe allein ist keine Basis für eine dauerhafte Beziehung. Nach der ersten Euphorie, spätestens nach einem Jahr, stellt sich die Frage: Was soll ich mit meinem Leben anfangen?

Das klingt sehr pessimistisch.

Maiwenn: Zum Glück ist das ja keine allgemeine These, ich erzähle lediglich von einem einzigen Paar. Mich haben bei dieser Geschichte vor allem zwei Dinge interessiert: Zum einen, dass man es sich nicht aussuchen kann, in wen man sich verliebt. Zum anderen, wie die beiden Beteiligten ganz unterschiedliche Wege gehen, um diese Liebe zu erhalten. Diesen Film wollte ich schon vor zehn Jahren machen und habe ihn doch immer wieder verschoben. Die Geschichte machte mir Angst, ich spürte, dass ich noch nicht die nötige Reife besaß, um mich damit auseinander zu setzten. Nach "Poliezei" habe ich entschieden, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen war: Ich wollte von der Liebe erzählen.

Haben Sie dabei eigene Erfahrungen verarbeitet?

Maiwenn: Im Kopf eines Künstlers geht es sehr viel komplizierter zu. Es spielt keine Rolle, ob die Geschichten erfunden oder selbst erlebt sind - entscheidend sind allein die Emotionen. Deshalb stellt sich die Frage nach dem autobiografischen Trip gar nicht. Was zählt, sind die Gefühle.

Ihr Film erzählt mit zahlreichen Rückblenden - warum haben Sie dieses Mittel gewählt?

Maiwenn: Die Rückblenden-Erzählstruktur, in der die Heldin sich die Momente ihrer Beziehung vergegenwärtigt, erlaubt ihr eine doppelte Perspektive auf sich und ihren Partner. Diese Erinnerungen geben ihr die Möglichkeit, sich neu zu erfinden. Am Ende hat sie eine neue Stärke gewonnen.

Welchen Wert spielt bei Ihren Dialogen die Improvisation durch die Schauspieler?

Maiwenn: Ich finde, Improvisation wird gemeinhin überschätzt. Zudem em-pfinde ich darin eine Geringschätzung meiner Arbeit als Drehbuchautorin. Es ist ja gut und schön, wenn Schauspieler bei den Dialogen ihre Freiheiten haben. Entscheidend bleibt jedoch, dass Szenen insgesamt natürlich und wahrhaftig ausfallen.

Gehört Improvisieren nicht zu den notwendigen Freiheiten für Schauspieler?

Maiwenn: Ich bestehe nicht darauf, dass jedes Komma aus dem Drehbuch sich in den Dialogen wiederfindet. Meine Stärke als Regisseurin liegt darin, meinen Schauspielern möglichst viel Freiraum zu bieten. Darsteller sind dann am besten, wenn sie ihre ganze Energie darauf verwenden können, ihrem Gegenüber zuzuhören.

Sie arbeiten als Regissuerin, Autorin und als Darstellerin. Was ist Ihnen da lieber?

Maiwenn: Das verhält sich wie Essen zu Trinken - und ich bevorzuge das Essen. Langfristig sehe ich meine Zukunft als Regisseurin, das ist für mich viel befriedigender als das Schauspielen. Mir ist meine Unabhängigkeit sehr wichtig. Als Regisseurin hat man viel mehr Freiheit und ist weitaus weniger den Vorstellungen von anderen Leuten unterworfen. Zudem ist das Älterwerden für eine Regisseurin wesentlich unproblematischer als für eine Schauspielerin.

Hat die Schauspielerei gar keine Vorzüge für Sie?

Maiwenn: Natürlich gibt es sehr schöne Seiten an der Schauspielerei. Wenn man vom Publikum verehrt und gemocht wird, tut das dem Ego ausgesprochen gut. Ich glaube, tief in seinem Herzen möchte jeder Schauspieler vor allem geliebt werden. Als Regisseurin bekommt man solche Liebesbeweise doch deutlich seltener.

"Mein Ein, mein Alles" läuft in der Camera Zwo in Saarbrücken.

 Regisseurin Maiwenn

Regisseurin Maiwenn

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