Justiz nimmt auch den VW-Chef aufs Korn

Wolfsburg/Stuttgart · Staatsanwälte ermitteln erstmals gegen VW-Vorstandschef Matthias Müller. Es geht um seine Rolle beim VW-Hauptaktionär Porsche SE.

 Der Dieselgate-Skandal lässt VW-Chef Matthias Müller nicht los. Foto: von Ditfurth/dpa

Der Dieselgate-Skandal lässt VW-Chef Matthias Müller nicht los. Foto: von Ditfurth/dpa

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Dieselskandal, Milliardenzahlungen, Ermittlungen, Aufarbeitung - und dann neue Ermittlungen: Manch einer aus der VW-Führungsriege dürfte sich wünschen, das düstere Kapitel Abgas-Skandal endlich abhaken zu können, mehr als anderthalb Jahre nach dem Beginn in den USA. Gerade begannen sich die Wogen zu glätten: Stolz verkündet VW satte Gewinne im ersten Quartal. Da hinein platzt nun die nächste schlechte Nachricht. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt wegen des Verdachts auf Marktmanipulation gegen aktuelle und ehemalige Top-Manager - diesmal aber des VW-Haupteigners Porsche SE.

Erstmals gehört auch VW-Chef Matthias Müller zu den Beschuldigten. Im Visier der Justiz stehen daneben wie in bisherigen Verfahren Ex-VW-Konzernchef Martin Winterkorn und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Winterkorn war Porsche-SE-Chef, Pötsch Finanzvorstand und Müller Vorstand für Unternehmensentwicklung und Strategie. Trotz der Konzentration auf die Manager der Beteiligungsgesellschaft ist für Autoexperte Stefan Bratzel klar: Das juristische Nachspiel des Dieselskandals schwebe über der Zukunft von Volkswagen.

Schwer einzuschätzen ist nach Einschätzung des Experten vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, wie stark die Ermittlungen dem Geschäft und dem Image von Volkswagen schaden. Fest stehe: Der Skandal müsse auf- und abgearbeitet werden, betont Bratzel. "Eine andere Chance haben sie nicht." Schwerer allerdings dürften die Ermittlungen für die Führungskräfte selber wiegen, mutmaßt Bratzel.

Was war geschehen? Im September 2015 hatten US-Behörden aufgedeckt, dass Volkswagen in den USA die Abgasmessung von Dieselfahrzeugen manipulierte. Danach brach der Börsenkurs ein, die Aktien verloren zwischenzeitlich fast die Hälfte ihres Werts. Anlass der Ermittlungen sei eine Strafanzeige der Finanzaufsicht Bafin vom Sommer 2016, gab die Staatsanwaltschaft Stuttgart bekannt. Es bestehe "der Anfangsverdacht", dass die Manager den Anlegern die finanziellen Konsequenzen der VW-Dieselaffäre für die Porsche SE "bewusst verspätet mitgeteilt" hätten. Die Porsche SE nannte den Vorwurf unbegründet, sie habe ihre "kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten ordnungsgemäß erfüllt".

Der Stuttgarter Fall ist bei weitem nicht das einzige Verfahren, in dem es zumindest mittelbar um Volkswagen und die Dieselaffäre geht. Auch bei der Braunschweiger Staatsanwaltschaft laufen Ermittlungen wegen des Verdachts der Marktmanipulation. Dort ist Müller allerdings nicht betroffen. Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Car-Institut an der Universität Duisburg-Essen vergleicht die Lage von Volkswagen mit der etwa der Deutschen Bank, die die vielen Verfahren in der Vergangenheit "gelähmt" hätten.

Branchen-Experte Willi Diez schränkt ein, zwar dürfte es für einige Jahre noch Scharmützel und immer wieder auch Klagen geben. Wichtig sei aber, dass Volkswagen in den USA die amerikanische Front beruhigen konnte, erklärte der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) an der Hochschule Nürtingen-Geislingen. In den USA hat sich der Auto-Riese bereits auf einen milliardenschweren Vergleich einlassen müssen. Die Ermittlungen binden aus seiner Sicht Management-Kapazität, seien Nadelstiche für das Image der Marke, dennoch dürfte VW das Schlimmste überstanden haben, wenn nicht "ganz gravierende Dinge" passierten.

Eine weitere Baustelle tat sich für das VW-Führungsteam erst vor wenigen Tagen auf: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen vier amtierende und frühere VW-Manager, darunter auch gegen Personalvorstand Karlheinz Blessing, der mehrere Jahre Chef der Dillinger Hütte und der Saarstahl AG war. Der Verdacht: Untreue. Die Manager sollen VW-Betriebsratsboss Bernd Osterloh zu hohe Bezüge genehmigt haben.

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