Joggen macht Versicherung billiger

Berlin · Wer auf seine Gesundheit achtet, kann bei der Versicherung Generali künftig auf finanzielle Vorteile hoffen. Doch er muss Auskunft über seinen Lebensstil geben. Droht jetzt der „gläserne Versicherte“.

 Joggen hält fit und gesund – und macht sich möglicherweise künftig bei Versicherungstarifen bezahlt. Foto: Fotolia

Joggen hält fit und gesund – und macht sich möglicherweise künftig bei Versicherungstarifen bezahlt. Foto: Fotolia

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"Versicherung neu denken", "Meilenstein": Mit überschwänglichen Worten hat der Generali-Konzern gestern ein neues Zeitalter für Versicherungen ausgerufen. Ab 1. Juli können Kunden bei dem Versicherungskonzern sogenannte Vitality-Tarife kaufen: Wer aktiv ist und gesund lebt, erhält günstige Tarife.

Doch müssen die Kunden dafür Gesundheitsdaten an die Versicherung geben und damit einen tiefergehenden Einblick in die persönliche Lebensführung gewähren. Datenschützer sind beunruhigt: Es drohten die freiwillige Selbstüberwachung und der gläserne Versicherte. Zugleich warnen Kritiker, dass viele Menschen die Vorteile von Fitnesstarifen nicht oder nur in geringem Umfang genießen können - etwa chronisch Kranke oder ältere Personen. Sie und Versicherte, die sich nicht am Programm beteiligen wollen, könnten die Zeche durch höhere Beiträge zahlen müssen.

Fitness-Tracker, Herzfrequenzmesser, Gesundheits-Apps: Wer mit dem Schrittzähler seine Joggingstrecke aufzeichnet, regelmäßig Fitnessstudios besucht, mit dem Rauchen aufhört oder gesunde Lebensmittel kauft, kann Punkte sammeln, die die Beiträge zur Krankenversicherung der Generali senken. Je mehr Punkte, desto besser der persönliche Status - von Bronze über Silber und Gold bis zu Platin.

Wer bei der Generali, nach eigener Darstellung der zweitgrößte Erstversicherungskonzern auf dem deutschen Markt, auch noch eine Risikolebensversicherung abgeschlossen hat, kann sich zukünftig durch die Teilnahme an Vitality eine Beitragsersparnis oder Rabatte bei Fitnessstudios, in Sportgeschäften oder anderswo sichern. Um gesundheitsförderndes Verhalten zu belohnen, arbeitet der Konzern mit Unternehmen wie Adidas, Weight Watchers , Galeria Kaufhof oder Expedia zusammen.

"Das Programm ist für alle Kunden freiwillig, und jeder, der diese Versicherungen abschließt, kann unabhängig von Alter und Gesundheitszustand teilnehmen", so reagiert der Vorstandschef von Generali Deutschland, Giovanni Liverani, auf Einwände der Kritiker. "Egal wie fit sie beim Einstieg sind: Alle Kunden beginnen mit dem gleichen Vitality Status."

"Kunde Herr seiner Daten"

Generali versichert, dass hoher Wert auf Datenschutz gelegt werde: "Der Kunde ist jederzeit Herr seiner Daten. Er entscheidet selbst, welche Daten er zur Verfügung stellt." Der Versicherer erhalte lediglich Informationen zum Status des Versicherten, der sich aus den gesammelten Punkten errechnet, jedoch keinerlei Details zum Gesundheitszustand , wie etwa Gewicht oder Blutdruck der Teilnehmer. Das Modell Vitality ist in anderen Ländern bereits am Start, in Südafrika und Großbritannien zum Beispiel. Andere deutsche Versicherungsunternehmen reagierten skeptisch auf das Generali-Modell: Allianz und DKV wollen dem Beispiel nicht folgen, wie der "Tagesspiegel" berichtet. "Wir tracken nicht digital und quasi rund um die Uhr die Aktivitäten unserer Kunden ", sagte eine Sprecherin der Allianz. Und bei der Nummer zwei in der deutschen Versicherungslandschaft, der Ergo mit der Krankenversicherungstochter DKV, heißt es: "Wir planen derzeit keine Tarife, in denen die Beiträge von Informationen aus beim Kunden erfassten Fitness- und Lifestyle-Daten abhängen", sagte eine Ergo-Sprecherin.

Meinung:

Mit gesunder Skepsis

Von SZ-Redakteur Volker Meyer zu Tittingdorf

In der Krankenkassen-Branche gibt es schon seit Jahren Bonusprogramme, die etwa die Teilnahme an Fitnesskursen mit Rabatten belohnen. Im Prinzip macht Generali nichts anderes. Solch ein Programm kann sich für die Versicherten doppelt lohnen. Denn so mancher, der übergewichtig ist oder raucht, bekommt einen zusätzlichen Anreiz, sein Verhalten zu ändern; und er kann Beiträge sparen. Generali geht aber über die bisherigen Modelle hinaus, ist der Tarif doch grundsätzlich an gesundheitsbewusstes Verhalten gekoppelt. Und die Kunden müssen offenbar erheblich mehr Daten übermitteln als bisher üblich, um Rabatt-Punkte zu sammeln. Hier ist zu gesunder Skepsis zu raten. Es lohnt sich nicht, sich wegen ein paar Euro zum gläsernen Versicherten zu machen.

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