Konzerne Job-Abbau bei Siemens auch im Saarland

St. Ingbert · Siemens will in St. Ingbert sein Reparaturzentrum schließen. Viele Industriebetriebe im Land haben dann Probleme, sagen die Mitarbeiter.

 Auch solche Elektro-Riesen werden in St. Ingbert gebaut. Unser Bild zeigt einen „eisenfertigen Läufer“, der als Dauermagnet in einen Elektromotor kommt. Er ist für das Walzwerk des Stahlkonzerns Tata in Hayange bestimmt.

Auch solche Elektro-Riesen werden in St. Ingbert gebaut. Unser Bild zeigt einen „eisenfertigen Läufer“, der als Dauermagnet in einen Elektromotor kommt. Er ist für das Walzwerk des Stahlkonzerns Tata in Hayange bestimmt.

Foto: Siemens

Die Nachricht ist eingeschlagen wie eine Bombe. Siemens will im Rahmen seines Konzern­umbaus, bei dem rund 6900 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, auch die Reparatureinheit in St. Ingbert dicht machen. Das wurde den rund 30 Mitarbeitern in einer Betriebsversammlung am vergangenen Freitag mitgeteilt. In der kurzfristig verschickten Einladung – unterzeichnet von Robert Wagner (Digital Factory, Customer Services DF&PD, Nürnberg) und Saar-Niederlassungsleiter Achim Pecka – hieß es, die Frauen und Männer sollten „Antworten auf die wichtigsten Fragen“ erhalten.

Doch die beiden Herren hinterließen große Ratlosigkeit. Zum einen „wurde mit keinem Wort erwähnt, wann der Standort geschlossen werden soll und auch nicht konkret warum“, heißt es aus Belegschaftskreisen. „Uns gibt es seit mehr als 50 Jahren und wir haben als Siemens-Geschäftseinheit immer schwarze Zahlen geschrieben – bei einem konstanten Erlös von durchschnittlich 6,5 Millionen Euro und einer Umsatzrendite von 8,5 Prozent im Schnitt.“ Außerdem sei die Losung ausgegeben worden, dass wie bisher Aufträge akquiriert werden sollen – egal in welcher Höhe und für welche Zeitdauer. „Geht so Schließung?“, fragen die Mitarbeiter erstaunt.

Eine Siemens-Sprecherin bestätigte den Schließungsbeschluss. Diese Entscheidung habe nichts mit der Leistung der einzelnen Einheiten zu tun, sondern sei grundsätzlicher Natur, weil der Konzern festgelegt habe, sich aus bestimmten Geschäftsbereichen zurückzuziehen. Sie erinnerte allerdings daran, dass sich der Prozess erst in der Planungsphase befindet. Diese Pläne würden jetzt beraten, bevor sie mit den Betriebsräten und der Gewerkschaft IG Metall verhandelt würden. Erst dann käme es zu einem Interessenausgleich.

Ein wichtiges Standbein von Siemens St. Ingbert sind Wartung und Reparatur von Elektromotoren, die in großen Produktionsanlagen der saarländischen Industrie eingesetzt werden. Ein wichtiger Kunde ist hier die Dillinger Hütte, deren Walzgerüste im Walzwerk von mächtigen Siemens-Motoren angetrieben und am Laufen gehalten werden. Neben dem normalen Service hält die St. Ingberter Einheit auch eine Notbereitschaft vor, falls ein Motor ausfällt und die Walzstraße deswegen stillstehen muss. „Durch unsere schnelle Einsatzfähigkeit können wir den Schaden in den meisten Fällen rasch beheben“, sagen die Beschäftigten. „Wie Siemens diesen Service weiter aufrechterhalten will, wenn es uns nicht mehr gibt, weiß offenbar noch niemand“, mutmaßen einige Mitarbeiter – zumal damit auch zentrales Wissen verloren gehe.

Ein ähnliches Problem tut sich auch bei einer Menge anderer Elek­tro­motoren auf, die von den Dimensionen her eher kleiner, aber genauso wichtig sind. Hierbei handelt es sich um die Antriebe, die in zahlreichen Werkzeugmaschinen bei großen Industrie-Unternehmen in der Region und dem benachbarten Ausland eingebaut sind. Zu den Wartungs-Kunden gehören Großbetriebe wie der Automatikgetriebehersteller ZF in Saarbrücken oder das Dieselkomponenten-Werk von Bosch in Homburg. Zwischen 700 und 900 Motoren würden pro Jahr von diesen und anderen Betrieben angeliefert, um sie in St. Ingbert entweder zu reparieren oder einer elektrischen und mechanischen Grundrevision zu unterziehen. Sollte der Saar-Standort schließen, müssten die Motoren unter anderem ins bayerische Bad Neustadt an der Saale verschickt werden. „Auch im Notfall würde die Reparatur dann drei Tage dauern, wohingegen wir mit unserem jederzeit verfügbaren Einsatz-Team in drei Stunden fertig sind“, betonen die Mitarbeiter. Längere Ausfallzeiten für die Maschinen seien damit programmiert.

Darüber hinaus werden im St. Ing­berter Siemens-Ableger auch die Elektroantriebe von Maschinen gewartet, die explosionsgeschützt sein müssen. Sie werden dort eingesetzt, wo sich kritische Gaskonzentrationen bilden können. Das ist zum Beispiel im Bergbau, aber auch in der Chemieindustrie und bei Biogas-Anlagen der Fall.

Neben Service und Reparatur steht auch der Neubau von Aggregaten auf dem Aufgabenzettel der Elektro-Fachleute. So verlassen auch neue Gleichstrom-Motoren die St. Ingberter Siemens-Werkstatt, von wo sie weltweit exportiert werden. Solche Motoren werden beispielsweise in Bergbahnen eingesetzt. Darüber hinaus produzieren die Beschäftigten auch so genannte eisenfertige Läufer. Das sind bewegliche Bestandteile moderner Elek­tromotoren, die nicht mehr über eine elektrische Wicklung, sondern über Dauermagnete verfügen.

Sollte Siemens St. Ingbert geschlossen werden, würden nach Angaben von Beschäftigten zudem nicht nur die 30 Arbeitsplätze dort wegfallen. „Wir selbst haben auch Zulieferer, die einpacken müssten, wenn wir unsere Tore schließen“, warnen sie. „Dafür sind die zu abhängig von uns.“

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