Industrie 4.0 Kollege Computer und die Paragraphen

Saarbrücken · Mit welchen Fragen müssen sich Juristen beschäftigen, wenn die Arbeitswelt sich wandelt? Ein Symposium wollte Antworten geben.

 Das Schlagwort Industrie 4.0 ist in aller Munde. Doch was bedeutet dieser Wandel für die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer?

Das Schlagwort Industrie 4.0 ist in aller Munde. Doch was bedeutet dieser Wandel für die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer?

Foto: dpa/Ole Spata

Können Maschinen Menschen Arbeits-Anweisungen geben? Ist das Lesen einer dienstlichen E-Mail schon eine Unterbrechung der Ruhezeiten nach dem Arbeitsschutzgesetz oder gehört diese Tätigkeit zur Rufbereitschaft, die nicht als Arbeitszeit gilt? Ist das Bearbeiten von privaten E-Mails auf dem Dienstcomputer zulässig oder nicht? Wie weit geht der persönliche Datenschutz, wenn in der digitalen Fabrik der Zukunft jede Tätigkeit eines Arbeitnehmers in Echtzeit erfasst und dokumentiert wird?

Auf die Juristen kommen mit dem Wandel der Arbeitswelt in Richtung Digitalisierung, Vernetzung und höhere Flexibilität also eine Menge neuer Aufgabenstellungen zu. Mit allen diesen Fragen beschäftigte sich gestern das 2. Saarbrücker Arbeitsrechts-Symposium der Universität des Saarlandes. Es stand unter dem Motto „Arbeitsrecht 4.0 heute und morgen – Was ist technisch zulässig, was ist rechtlich erlaubt?“. Veranstalter waren neben der Universität der Saarländische Anwaltsverein (SAV) und die Vereinigung der saarländischen Unternehmensverbände (VSU). Für Professor Stephan Weth, Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht an der Saar-Uni, „muss der Gesetzgeber auch künftig in der Lage sein, die Lebenswirklichkeiten der Menschen zu gestalten“. Das heiße aber auch, dass die Gesetzgebung sich der neuen Wirklichkeit anpassen müsse. So seien die starren Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes mit einer Arbeitszeit von maximal zehn Stunden und einer sich daran anschließenden Ruhezeit von elf Stunden „nicht mehr zeitgemäß“. Hier müssten neue, wesentlich flexiblere Regelungen gefunden werden, „weil die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit verschwimmen“.

Auf der anderen Seite müsse der Gesetzgeber aber auch Stoppschilder aufstellen und die Grenzen aufzeigen. Diese seien überschritten, wenn die Arbeit lückenlos erfasst wird, meinte der Hochschullehrer. „Es muss immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.“ Dies gelte vor allem für den Datenschutz. Er begrüßte außerdem, dass auch künftig die Betriebsräte eingebunden werden müssen, wenn neue IT-Systeme eingeführt werden.

Einer eindeutige Meinung hat Weth beim Nutzen des Dienstcomputers für private E-Mails. „Dies gehört grundsätzlich verboten“, ist seine Auffassung. Die Risiken, dass der Arbeitnehmer Schad-Software auf den dienstlichen Rechner herunterlädt und „damit einen immensen Schaden verursacht, ist einfach zu groß“.

 Professor Stephan Weth

Professor Stephan Weth

Foto: Iris Maurer

Auf der anderen Seite „lässt sich die Uhr hin zu einer neuen Arbeitswelt nicht mehr zurückdrehen“. Diese Auffassung vertrat Wolfgang Kohler, VSU-Fachmann für Arbeitsgestaltung und Betriebsorganisation. „Die Digitalisierung durchdringt immer stärker unser Arbeitsleben.“ Die Fabriken würden künftig nicht mehr fertigungs- sondern kundenorientiert arbeiten. Dies führe zu mehr Verantwortung für den Arbeitnehmer, der in der Lage sein müsse, ein Produkt – je nach Kundenwunsch – in wesentlich mehr Varianten herzustellen als dies bisher der Fall war. Um bei der Vielzahl der Produkttypen „in der Fertigung nichts durcheinander zu bringen, wird er auf die Hilfe von intelligenten Maschinen angewiesen sein“, ist der Ingenieur überzeugt. „Allerdings wird er eigenständiger und  projektorientiert arbeiten.“

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