Abgabe für Lkw gekippt Neues Maut-Debakel für Andreas Scheuer

Luxemburg/Brüssel · Die seit 15 Jahren geltende Abgabe für ausländische Lastwagen verstößt gegen EU-Recht. Spediteure können zu viel gezahltes Geld zurückverlangen.

 Deutschland finanziert über die Maut weit mehr als nur die Betriebskosten für die Autobahnen – zu unrecht, entschieden die EU-Richter.

Deutschland finanziert über die Maut weit mehr als nur die Betriebskosten für die Autobahnen – zu unrecht, entschieden die EU-Richter.

Foto: dpa/A3508 Rolf Vennenbernd

Bis zu 7,5 Milliarden Euro spült die Lkw-Maut jedes Jahr in den Bundeshaushalt, 50 Millionen davon an die Kommunen. Bis jetzt. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat in einem Urteil am Mittwoch die Berechnung als überhöht zurückgewiesen. Mehr noch: Eine Erstattung zu viel gezahlter Abgaben an die betroffenen Spediteure lässt sich aus dem Richterspruch ableiten – womöglich bis ins Jahr 2005 zurück (AZ.: C-321/19). Es ist eine weitere Schlappe für Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Auslöser des Verfahrens war ein polnisches Unternehmen, das zwischen Januar 2010 und Juli 2011 für seine Laster 12 420,53 Euro hatte zahlen müssen. Dann rechnete man nach und stellte fest: Die Bundesrepublik hatte neben den reinen Betriebskosten die Tätigkeit der Verkehrspolizei und teilweise auch den Erwerb von Grundstücken eingerechnet. Die Arbeit der Beamten auf den Autobahnen machte damals zwischen 3,8 und sechs Prozent der Kosten aus.

Der EuGH sah darin am Mittwoch einen klaren Verstoß gegen europäisches Recht. Denn die offiziell als „Infrastrukturabgabe“ bezeichnete Lkw-Maut dürfe lediglich die Kosten für Bau, Betrieb, Instandhaltung und Ausbau der Straßen beinhalten. „Polizeiliche Tätigkeiten fallen aber in die Verantwortung des Staates, der dabei hoheitliche Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handelt“, heißt es in einer Zusammenfassung des Urteils. Die Ausgaben für die Verkehrspolizei dürften daher „nicht als Kosten für den Betrieb im Sinne der EU-Richtlinie angesehen werden“. Nach Auffassung der Richter verletze bereits eine geringfügige Überschreitung der Infrastrukturkosten bei den Mautgebühren das EU-Recht.

Darüber hinaus lehnte es der EuGH ab, die Auswirkungen des Urteils zeitlich zu begrenzen. Dies eröffnet nach Auffassung von Experten weiteren Spediteuren die Möglichkeit, auf Erstattung zu viel gezahlter Maut seit dem Start des Systems 2005 zu klagen. Um welche Summen es dabei geht, war am Mittwoch noch nicht abzusehen. Schätzungen zufolge sind Forderungen in Höhe von etlichen Milliarden möglich, die nun auf das verantwortliche Bundesverkehrsministerium zukommen könnten. Waren es anfangs rund 200 Millionen Euro, die für die Polizeistreifen auf den Autobahnen veranschlagt wurden, kletterte der Betrag stetig weiter. Für 2022 ist eine Milliarde Euro einkalkuliert.

  Auf Andreas Scheuers (CSU) Verkehrsministerium könnten milliardenschwere Rückforderungen zukommen.

Auf Andreas Scheuers (CSU) Verkehrsministerium könnten milliardenschwere Rückforderungen zukommen.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Der Bundesverkehrsminister muss damit zum zweiten Mal eine schwere Schlappe für die deutschen Mautpläne einstecken. 2019 hatte der Luxemburger Hof Scheuers Pläne für eine Pkw-Abgabe zurückgewiesen. Doch das gestrige Urteil trifft ihn zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Als Vertreter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft muss der CSU-Politiker nämlich in den kommenden Wochen eine Reform der Eurovignetten-Richtlinie anstoßen, die sozusagen die Grundlage für die Berechnung der Mauthöhe in allen Mitgliedstaaten ist. Die Neufassung soll vor allem dafür sorgen, dass künftig Lkw, die mit Wasserstoff, Gas oder synthetischen Kraftstoffen fahren, von einer Straßenbenutzungsgebühr ausgenommen werden. Um die dadurch erwarteten Mindereinnahmen aufzufangen, plant Scheuer eine umstrittene Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. Bisher gilt sie erst ab 7,5 Tonnen.

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