Tarifkonflikt eskaliert IG Metall ruft zu eintägigen Warnstreiks auf

Stuttgart/Saarbrücken · Der Tarifstreit eskaliert nach 16-stündigem Verhandlungs-Marathon. Die IG Metall erhöht jetzt auch den Druck an der Saar.

  Jörg Hofmann (links), Erster Vorsitzender der IG Metall, und Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg.

Jörg Hofmann (links), Erster Vorsitzender der IG Metall, und Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Es müssen dramatische Stunden gewesen sein am Verhandlungsort in der Nacht zum Samstag. Gegen Ende eines nahezu rekordverdächtigen Marathons von 16 Stunden liegen die Nerven auf beiden Seiten blank. Es geht in Stuttgart ums Ganze. Immer wieder werden die Gespräche unterbrochen, um mit den mitgereisten Delegationen den neuesten Stand zu diskutieren. Müde Gesichter auf allen Seiten, aber offensichtlich doch bestrebt, in den Tarifverhandlungen für die bundesweit rund 3,9 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie am Beispiel von Baden-Württemberg einen Pilotabschluss zu erzielen.

In den frühen Morgenstunden jedoch dreht sich nach Aussagen von Beobachtern die Stimmung und es kommt zum großen Knall, obwohl alle genau wissen, was auf dem Spiel steht: Warnstreiks und eventuell wochenlange Flächenstreiks, die ganze Betriebe stilllegen. Trotzdem werden die Verhandlungen am frühen Samstagmorgen plötzlich abgebrochen. Von einem Scheitern wollen beide Seiten nicht sprechen. Was genau den Knall herbeigeführt hat, lässt sich bisher nicht eindeutig klären. Hans Peter Kurtz, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Saarbrücken, erhebt als Teilnehmer der Gewerkschafts-Delegation einen schweren Vorwurf: „Ich glaube, die Arbeitgeber hatten nie im Sinn, sich mit uns zu einigen.“ Die IG Metall sei bis zur Grenze des Erträglichen gegangen. Die Arbeitgeber hätten sich jedoch weder beim Geld bewegt, noch bei der Forderung nach einem finanziellen Zuschuss für Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit vorübergehend verringern wollen, etwa, weil sie  Angehörige pflegen wollen.

Die Atmosphäre in den letzten Zügen der Verhandlungen am Samstagmorgen beschreibt Kurtz als äußerst gereizt. „Unser Bundesvorsitzender Jörg Hofmann war wirklich sehr sauer. Das hat man ihm angemerkt, weil er bis zu den frühen Morgenstunden der Meinung war, man könne sich mit den Arbeitgebern einigen.“ Das „Tarifwerk zur Modernisierung der Arbeitswelt“, von dem Kurtz spricht, enthält offensichtlich Sprengstoff, denn darin finden sich Neuerungen wie beispielsweise die Forderung nach einer vorübergehenden Teilzeit-Beschäftigung mit einer Rückkehr-Garantie auf Vollzeit. Gleichzeitig sollen besonders belastete Berufsgruppen hier Zuschüsse bekommen.

Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie (ME) Saar, fragt nicht nur danach, wer das bezahlen soll. Er betont zugleich, es sei zwar Sache der Arbeitgeber, geleistete Arbeit zu entlohnen, nicht aber die Sozialpolitik in Deutschland zu finanzieren. „Entgelt ist ausschließlich abhängig von der geleisteten Arbeit“, so Malter. Wenn man als sozialpolitisches Thema die Pflege und eine Arbeitszeitverkürzung miteinander verknüpfen will, dann brauche man dafür ein Gesetz und den Staat. Möglicherweise müsse man Einzelheiten der Pflegeversicherung verändern. Die Forderung der IG Metall nach einem finanziellen Zuschuss für Mitarbeiter, die vorübergehend in Teilzeit 28 Stunden arbeiten möchten, hält Malter für rechtswidrig. Was solle man denn tun, wenn Gerichte später einmal erklären, einen finanziellen Ausgleich müssten alle Teilzeitbeschäftigten bekommen? Dann drohten Nachzahlungen in Millionenhöhe, die für viele kleine und mittlere Betriebe sogar in der Folge das Aus bedeuten könnten. Ralf Rainstädtler, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Homburg, ärgert diese Argumentation besonders. „Die Arbeitgeber bauen hier einen angeblich kostentreibenden Popanz auf. In Wirklichkeit ist das ein Nischenthema. Davon  sind nur wenige betroffen. Alleine in den Betrieben im Bereich Homburg arbeiten nur sechs Prozent der Beschäftigten in Teilzeit“, sagt Rainstädtler. Er bezieht sich auf eine Untersuchung der Gewerkschaft.

 Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer Verband ME Saar.

Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer Verband ME Saar.

Foto: BeckerBredel
 Hans Peter Kurtz. Erster Bevollmächtigter IG Metall Saarbrücken.

Hans Peter Kurtz. Erster Bevollmächtigter IG Metall Saarbrücken.

Foto: Pasquale D'Angiolillo

Auffallend schnell ruft bereits am Samstagvormittag der Bundesvorstand mit Jörg Hofmann an der Spitze erstmals in der Geschichte der Gewerkschaft zu ganztägigen Warnstreiks auf. Die Mitglieder werden gerade dazu befragt. Voraussichtlich werden diese Warnstreiks ab dem kommenden Mittwoch auch massiv das Saarland erreichen. Gleichzeitig laufen bereits Vorbereitungen für die Urabstimmung, sollten die Verhandlungen nicht am kommenden Wochenende fortgesetzt werden. Die IG Metall schließt selbst flächendeckende Streiks nicht mehr aus. Dennoch gibt es auf beiden Seiten der Verhandlungspartner auch jetzt schon mäßigende Stimmen. Sie gehen von einer schnellen Fortsetzung der Verhandlungen aus. Andere aus dem Arbeitgeberlager mutmaßen, die Gewerkschaft wolle jetzt testen, wie erfolgreich ganztägige Warnstreiks in den Belegschaften angenommen werden. Zumal eine stillstehende Produktion dazu führen könne, dass Gewerkschaftsmitglieder Streikgeld erhalten, während die übrigen Beschäftigten leer ausgehen. Dieses Vorgehen sei Mitgliederwerbung auf dem Höhepunkt eines Tarifkonfliktes, was die  Gewerkschaft empört zurückweist. Diese Woche wird zeigen, wie die Chancen auf eine schnelle Fortsetzung der Verhandlungen wirklich stehen.

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