Arbeitsminister Hubertus Heil „Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen“

Interview | Berlin · Der Bundesarbeitsminister sieht die Rettung von Jobs und Lehrstellen als größte Herausforderungen in der Krise.

 Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, spricht sich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen aus, wie es die Grünen fordern. Stattdessen müsse der Mindestlohn zügig steigen.

Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, spricht sich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen aus, wie es die Grünen fordern. Stattdessen müsse der Mindestlohn zügig steigen.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Massenarbeitslosigkeit als Folge der Corona-Pandemie verhindert zu haben, ist für Arbeitsminister Hubertus Heil der größte Erfolg in diesem Jahr. Wie der SPD-Politiker über die Krisen-Probleme denkt und was er noch bis zur nächsten Bundestagswahl im Herbst 2021 plant, erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung:

Herr Heil, wie hat die Virus-Krise persönlich Ihr Leben verändert?

HEIL Im Privaten geht es mir wie anderen Menschen auch: Hygiene-Regeln beachten und weniger Kontakte, meine beiden Kinder sind auch von den Schulschließungen betroffen. Und was das Berufliche angeht, da war ich als Arbeitsminister im Jahr 2020 besonders gefordert, Arbeitsplätze zu sichern.

Haben Sie all die Gesetze und Verordnungen eigentlich mal gezählt, die Ihr Ministerium wegen Corona produziert hat?

HEIL Gefühlt waren es unzählige Vorlagen. Sie dienen vor allem dazu, Brücken über ein tiefes wirtschaftliches Tal zu spannen, um Massenarbeitslosigkeit zu verhindern. Und ich bin froh, dass uns das mit den verbesserten Regelungen zur Kurzarbeit gelungen ist.

Die Kurzarbeit hat sicher eine Entlassungswelle verhindert. Experten befürchten jedoch, dass Kurzarbeit bei zu langer Dauer den Strukturwandel in Unternehmen behindert. Teilen Sie die Sorge?

HEIL Nein. Im April hatten wir sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit, fast 20 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Über den Sommer sind dann immerhin vier Millionen wieder in Vollzeitarbeit zurückgekehrt. Und für das kommende Jahr haben wir beschlossen, die Brücke nicht einfach nur zu verlängern, sondern, wo immer es geht, Kurzarbeit mit Qualifizierung zu verbinden. Gerade für Branchen wie zum Beispiel der Automobilindustrie ist das wichtig, in denen es um den Strukturwandel geht.

Durch die Pandemie wurden in diesem Jahr elf Prozent weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen. Was tun Sie, um eine „Generation Corona“ zu verhindern?

HEIL Wir kämpfen auch um jeden Ausbildungsplatz, indem wir zum Beispiel für kleine und mittelständische Unternehmen Ausbildungsprämien zahlen, wenn sie ihre Ausbildungsquote halten beziehungsweise erhöhen. Es gibt auch eine Förderung, um Kurzarbeit für Azubis zu vermeiden. Nötig ist eine gemeinsame Kraftanstrengung von Unternehmen, Sozialpartnern und Staat, um für mehr Ausbildung zu sorgen. Was nicht passieren darf, ist, dass junge Leute jetzt keine Chancen in Betrieben bekommen, denn Azubis sind die Fachkräfte von morgen.

Unternehmen sind für einen befristeten Zeitraum von der Insolvenzantragspflicht befreit, wenn sie wegen Corona in Schieflage stecken, aber dennoch Chancen für eine Sanierung bestehen. Wird damit eine Pleitewelle nur verschleppt?

HEIL Es ist bitter, aber es wird auch manche Unternehmens-Pleite geben. Ich kann nicht für jeden Arbeitsplatz garantieren. Aber wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Ich kenne übrigens keinen Staat auf der Welt, der derzeit so viel Unterstützung für Unternehmen und Beschäftigte leistet wie Deutschland.

Die Grünen, ein möglicher Koalitionspartner der SPD nach der nächsten Wahl, machen sich in ihrem neuen Grundsatzprogramm für ein bedingungsloses Grundeinkommen stark. Ziehen Sie da mit?

HEILIch habe einen anderen Ansatz. Mir ist wichtig, dass uns der Wert und die Würde von Arbeit nicht abhandenkommt. Arbeit ist nicht nur Broterwerb, sondern Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Es gibt Menschen, die hart arbeiten, aber so wenig verdienen, dass sie noch Grundsicherung beziehen. Deshalb muss der Mindestlohn schneller in Richtung zwölf Euro steigen. Die meisten Arbeitslosen fragen übrigens nicht nach einem abstrakten Grundeinkommen, sie wollen wissen, wie sie wieder in Arbeit kommen.

Was wollen Sie noch bis zur Bundestagswahl unbedingt regeln?

HEIL Ich will mehr Tempo, etwa beim Lieferkettengesetz für mehr unternehmerische Verantwortung für Menschenrechte, um ausbeuterische Arbeitsbedingungen in vielen Teilen der Welt abzustellen. Das hat die Union bisher blockiert. Aber da bleibe ich 2021 dran. Und es gibt Schutzlücken in unserem Sozialstaat, zum Beispiel, was die Absicherung von Selbstständigen im Alter angeht.

Sie planen dazu eine Art Rentenversicherungspflicht. Besonders Solo-Selbstständige kämpfen jedoch wegen Corona ums wirtschaftliche Überleben. Wie sollen sie da noch für ihr Alter vorsorgen?

HEIL Wir haben Selbstständige, die durch Versorgungswerke gut abgesichert sind. Aber es gibt auch viele, die kaum über die Runden kommen. Es kann nicht sein, dass sich jemand sein Leben lang abrackert und im Alter trotzdem nicht viel mehr als die Grundsicherung hat.

In welchem Rahmen werden Sie Weihnachten feiern? Die Kontakte sollen ja auf ein Minimum reduziert werden.

HEIL Normalerweise feiern wir zusammen mit befreundeten Familien. Diesmal wird es im engsten Familienkreis mit meiner Frau und den beiden Kindern sein. Dieses Jahr wird ein anderes Weihnachtsfest, ruhiger und besinnlicher.

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