Gewalt und Leidenschaft

Saarbrücken · Der renommierte französische Choreograf Angelin Preljocaj eröffnet das Perspectives-Festival mit einem Tanzstück, das in Saarbrücken bisher nicht zu sehen war: „Romeo und Julia“.

 Der Tänzer und Choreograf Angelin Preljocaj (59). Foto: Jörg Letz

Der Tänzer und Choreograf Angelin Preljocaj (59). Foto: Jörg Letz

Foto: Jörg Letz

Mit Angelin Preljocaj versprechen uns die Perspectives diesmal einen ganz großen Tusch gleich zum Auftakt. Denn "Romeo und Julia" ist in der Laufbahn des französischen Choreografen mit albanischen Wurzeln ein ganz besonderes Stück. Es brachte ihm 1990 den großen Durchbruch und war in Saarbrücken, wo er seit Ende der 1980er mehrfach gastierte, noch nie zu sehen.

Es gehört zu jener Auswahl an Produktionen, die der 59-Jährige zur Feier des 30-jährigen Bestehens seiner Compagnie wieder aufnahm und mit denen er derzeit auf Welttournee ist. Nicht aus Nostalgie hat er "Romeo und Julia" ausgewählt. Sondern weil es eine universelle Geschichte sei, eine Tragödie, wie sie auch die wirkliche Welt in jeder Epoche aufs neue hervorbringe. "Heute könnte man sich sehr gut einen palästinensischen Romeo mit einer israelischen Julia vorstellen", sagt Preljocaj im Gespräch mit der SZ. "Jedes Mal wenn es einen Konflikt gibt, kann der, wie bei "Romeo und Julia", einer Liebe im Wege stehen."

Diese Liebe in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen, das war für Preljocaj ein zentrales Anliegen, als er das Stück damals in Angriff nahm. Denn warum stehen sich die Familien der beiden jungen Veroneser überhaupt so feindlich gegenüber? Bei Shakespeare blieb ihm der Hintergrund zu diffus.

1990, als Preljocaj seine Version schuf, standen er und sein Bühnen- und Kostümbildner, der bekannte Comic-Künstler Enki Bilal noch ganz unter dem Eindruck des Falls der Mauer. "Ich stellte mir eine Welt vor, in der Julia aus einer Diktatoren-Familie, aus der Nomenklatura Ceaucescus stammte", sagt Preljocaj. Sein Romeo wiederum sei ein Obdachloser, ein Outcast, der unter der Brücke schläft, einer aus der Kaste der Unberührbaren, wie es sie bis heute in Indien gebe.

"Wenn ich es heute noch einmal neu inszenieren würde, würde ich gar nicht viel ändern", sagt der Choreograf. Alles könnte sich heute genau so abspielen, in seinem Romeo könne man auch gut einen Flüchtling aus Syrien oder dem Irak sehen.

Leidenschaft, Wucht, Gewalt, die sich bei aller tänzerischen Leichtigkeit und Eleganz durch dieses Handlungsballett von Preljocaj zieht, kennt man auch aus vielen anderen seiner Stücke, wie etwa "Noces" oder "Ce que j'appelle oublie", die in Forbach und Saarbrücken schon zu sehen waren. Gewalt sei ein Thema, das ihn sehr beschäftige, erklärt Preljocaj, wobei er das weniger auf die Herkunft seiner Familie aus Ex-Jugoslawien zurückführt als vielmehr auf die Geschichte der menschlichen Körper, die von jeher von Gewalt durchdrungen sei, was alle Künste spiegelten und verarbeiteten. Wenn die Malerei seit seit Jahrhunderten gefolterte, gepeinigte, viergeteilte Körper zeige, dürfe auch der Tanz, dessen Hauptwerkzeug ja der Körper sei, sie nicht ausblenden und nur "hübsch und anmutig" sein. "Das wäre für mich geradezu unmoralisch", sagt Preljocaj, der mit seinem Tanz im Kern eines vermitteln will: "Humanität". Seit 1996 steht ihm dafür in Aix-en-Provence ein "Centre Chorégraphique National" zur Verfügung. Ein riesiges Unternehmen, von dem aus Welttourneen organisiert werden, das aber auch Tanznachwuchs ausbildet.

Wie schafft man es, bei aller Verantwortung für so ein Haus ständig neue Tanzstücke zu erschaffen? Da lacht Preljocaj: Mit einer großen, tollen Equipe, die einem das Organisatorische abnehme. Drei bis vier Monate im Jahr schaufele er sich frei, um eine neue Produktion zu schaffen. Den Rest der Zeit seien seine Compagnien dann immer auf Tournee. Meist fährt er selbst mit, um dafür zu sorgen, dass jede Aufführung "à pointe", also perfekt wird. Ob er nach Saarbrücken mitkommt? Versprechen könne er es nicht, sagt Preljocaj. Doch er wolle alles versuchen, denn er kenne die Stadt ja von früheren Gastspielen und sei gespannt auf das Publikum, das sich aufgrund der langen Perspectives-Erfahrung mit Tanz so gut auskenne.

Termine: 12., 13. und 14. Mai, jeweils ab 20 Uhr, im Saarbrücker E-Werk.

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Auf einen Blick Das Festival Perspectives läuft in diesem Jahr vom 12. bis zum 21. Mai. Die Vorverkaufsstelle ist in der Betzenstraße 6 (Sb), gegenüber der Stadtbibliothek. Karten gibt es auch im Le Carreau in Forbach, unter Tel. (06 81) 93 87 72 21 und ticket@festival-perspectives.de. Das Programm lässt sich herunterladen unter www.festival-perspectives.de red

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