Gelebte Entwürfe als bessere Realitäten

Saarbrücken · Lars Gustafsson, der rund 80 Bücher veröffentlichte und nun nur einen Monat vor seinem 80. Geburtstag im Kreis seiner Familie starb, verstand es als Autor, grundsätzliche lebensphilosphische Fragen auf leichtfüßige Art zu behandeln. Erst im März erschien sein jüngster Roman „Doktor Wassers Rezept“.

 Am 17. Mai wäre Lars Gustafsson 80 geworden. Foto: Pohnert/Hanser

Am 17. Mai wäre Lars Gustafsson 80 geworden. Foto: Pohnert/Hanser

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Mit Ludwig Wittgenstein, seinem Hausphilosophen, teilte Lars Gustafsson das Bedürfnis, jenes zu erkunden, was aus gutem Grund für gewiss erachtet werden kann. So entstand bei diesem Schweden eine mitunter seltsame, oft auch anrührende Mischung aus Philosophie und Poetik. Sie schlug sich in Gedichten, Traktaten oder Aphorismen nieder, meistens aber ganz einfach in gut erzählten Geschichten.

Spätestens seit "Herr Gustafsson persönlich" (1972) wusste man, dass der nach langen Jahren im texanischen Austin, wo er Literatur lehrte, wieder in seine Heimat übergesiedelte Romancier ein Meister der kunstfertigen, ebenso leichtfüßigen als auch amüsanten Prosa war. Augenscheinlich wurde das in jenem fünfteiligen Romanzyklus, in dem Gustafsson die schwedische Gesellschaft der sechziger Jahre porträtiert hat. Neben "Herr Gustafsson persönlich" handelte es sich um die Romane "Wollsachen", "Das Familientreffen", "Sigismund - Aus den Erinnerungen eines polnischen Barockfürsten" und "Der Tod eines Bienenzüchters".

In einem Interview hat Gustafsson auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen diesen Romanen gesagt, sie stünden zueinander wie fünf Fernsehkameras, die dasselbe Ereignis aus fünf verschiedenen Perspektiven filmen. Gustafsson ging es häufig darum , eine Art Porträt seiner Lebensumstände zu schaffen, mit einem Ich-Erzähler, einem pikaresken Helden in der Nachfolge von Don Quijote. Dass er sich für diese Rolle fünf verschiedene Ich-Persönlichkeiten ausdachte, die alle eine eigene Kindheit und Jugend haben, sich aber mit jedem Roman neu verwandeln, ging über die Darstellung privater Schicksale weit hinaus. Es war der Versuch, Schweden, aber auch das Europa der 60er und 70er mit all seinen tief greifenden Veränderungen zu beschreiben.

Gustafssons Romane und Erinnerungsbücher ("Der Dekan") erzählen nicht einfach nur das Leben des Autors nach, sondern handeln vom Abenteuer seines Denkens. Hier begegnete uns ein Zeitgenosse, der den Bruch zwischen Theologie und Philosophie kitten will. Dass dies bei ihm immer wieder zu Lesevergnügen führte, hing mit seiner Gabe zusammen, in klarer Sprache Triviales und Exzentrisches zwanglos aneinander zu reihen. Etwa in "Frau Sorgedahls schöne weiße Arme", einem ebenso luftigen wie leichtfüßigen Roman über die Zeitreise eines 70-jährigen Philosophieprofessors in Oxford, der sich an seine eigene Vergangenheit im Schweden der 50er erinnert.

Auch in seinem jüngsten, im März veröffentlichten Roman "Doktor Wassers Rezept" blieb er dem treu und erzählte vom Glück eines 80-jährigen Hochstaplers. Doktor Kurth W.Wasser zaubert sich eine Wunschbiographie als Direktor eines Schlaflabors, der die Frauen liebt und dem sie vertrauen. Mit jeder Geliebten erfindet er sich neu. Wie immer bei Gustafsson ging es darin um wahre und erlogene Identitäten.

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