Geld verdienen mit dem Brexit

London · Die einen befürchten wirtschaftliche Einbußen, nachdem die Briten für den Austritt aus der EU gestimmt haben. Andere reiben sich die Hände, weil der Brexit die Unternehmen verunsichert. Die Berater-Branche rechnet daher mit vielen Aufträgen.

Das Brexit-Votum hat Schockwellen durch die Wirtschaft gesandt und Unternehmen und Investoren weltweit verunsichert. Doch für viele Unternehmensberater und Wirtschaftsanwälte brechen goldene Zeiten an. Mit Brexit-Beratung lässt sich nun viel Geld verdienen: "Das ist eine Gelegenheit zum Geschäfte machen", erklärt der Londoner Anwalt Alasdair Steele. "Die Leute werden Beratung brauchen" und das "möglicherweise noch jahrelang", sagt der Brexit-Experte der Broadlaw Group, eines Netzwerks fünf europäischer Anwaltskanzleien.

Nach dem historischen Votum Großbritanniens für einen EU-Austritt muss erst ein formeller Austrittsantrag gestellt werden, damit die Austrittsverhandlungen beginnen. Diese können bis zu zwei Jahre dauern - zwei Jahre, in denen vor allem Unternehmen nicht wissen, was sie erwartet. Zwar kann auch in der Beraterbranche derzeit niemand sagen, welcher rechtliche Rahmen künftig den Handel zwischen London und der EU regeln oder wie der Zugang der Briten zum europäischen Binnenmarkt aussehen soll. Doch "wir können verstehen helfen, was wichtig ist und was nicht, entwirren helfen", erklärt Charles Burton, Geschäftsführer der Wirtschaftsberatung Oxford Economics, die schon vor dem Referendum die Auswirkungen eines Austritts erforschte. Seit sich der Sieg der Brexit-Befürworter abzeichnete, werde er von Unternehmen und Institutionen überrannt, erzählt Burton. Die ersten Fragen, die Steele und seine Kollegen stellen: "Verkaufen oder kaufen Sie in der EU? Können wir etwas tun, um Ihre grenzüberschreitenden Geschäfte abzusichern?"

Der Wirtschaftsprüfer- und Berater-Riese KPMG richtete ein spezielles Internetberatungsforum zum Brexit ein und organisierte am Montag eine Telefonkonferenz. "Wir sind dafür da, Ihnen zu helfen", versicherte Melanie Richards, Vize-Präsidentin der britischen Niederlassung. Und warnte sogleich: "Sie werden nicht sofort alle Antworten auf Ihre Fragen bekommen."

Auch in Deutschland reagierte die Branche schnell: Die Düsseldorfer Kommunikationsberatung Instinctif kontaktierte Kunden und andere Unternehmen zur Strategie ihrer Nach-Brexit-Kommunikation, wie Partner Thomas Stein angibt. Abgerechnet wird mit branchenüblichen Honorarsätzen bis zu 360 Euro pro Berater pro Stunde. Für seine Agentur sei das Votum sicher eine Gelegenheit, Geschäfte zu machen. Aber: "Es bringt auch viel Risiko mit sich, weil wir auch viele Kunden im Finanzsektor haben, wo das Geschäft einbrechen kann."

Ein Glücksfall ist das Votum nicht nur für Juristen: Betfair, einer der größten Buchmacher des Vereinigten Königreiches, verdiente sich mit der Abstimmung eine goldene Nase. Allein dort waren Wetten im Wert von umgerechnet 153 Millionen Euro auf den Ausgang des Referendums platziert worden. Inzwischen wird kräftig weitergewettet - auf die Nachfolge von Premierminister David Cameron .

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