Feste Werksferien als Auslaufmodell

Wolfsburg/Stuttgart/Saarbrücken · Früher waren Werksferien gleichbedeutend mit menschenleeren Fabrikhallen und ausgestorbenen Parkplätzen. Doch das hat sich gewandelt – auch in den Betriebsferien geht nur noch ein Teil der Belegschaft in Urlaub.

 Bei VW gibt es in einigen Werken einen mehrwöchigen Sommer-Urlaubskorridor. Foto: dpa

Bei VW gibt es in einigen Werken einen mehrwöchigen Sommer-Urlaubskorridor. Foto: dpa

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Es gibt sie noch, die klassischen Werksferien. Früher lag in vielen Fabriken für einige Wochen im Sommer die Produktion komplett still. Heute ist dies vor allem in der Autoproduktion und bei ihren Zulieferern verbreitet - doch auch da sind trotz der Ferien nicht alle Fabriken menschenleer.

"Betriebsurlaube haben natürlich eine Berechtigung, wenn es eng verkettete Abläufe gibt, wie beispielsweise in der Autoindustrie", sagt Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Saarländischer Unternehmensverbände (VSU). "Dort sind Werksferien im Sommer auch noch allgemein üblich."

Doch auch in der Autoindustrie werden Werksferien nicht mehr so streng gehandhabt wie früher: Bei Volkswagen gibt es statt der festen dreiwöchigen Auszeit in einigen Werken einen mehrwöchigen "Urlaubskorridor", sagt ein Sprecher. Innerhalb dieser Zeit soll der Haupturlaub von drei Wochen genommen werden. Ganz ausgestorben ist die Produktion an den Standorten allerdings nicht: In Wolfsburg etwa werde mit reduzierten Schichten gearbeitet - Mitarbeiter, die keinen Urlaub nehmen wollen und Ferienjobber. Auch bei Audi in Ingolstadt und Neckarsulm sind die Auszeiten aufgeweicht. In Ingolstadt sei im August wegen der guten Auftragslage nur eine leicht abgesenkte Produktion mit dem Betriebsrat vereinbart worden, sagte eine Sprecherin. In den Werken des bayerischen Autobauers BMW ruht die Produktion an den meisten Standorten für etwa zwei Wochen. In Leipzig arbeiten die Beschäftigten schon seit Mitte Juli wieder. Die bayerischen Produktionsstätten machen analog zu den dortigen Schulferien im August dicht. Die freie Zeit wird in den Unternehmen für Instandhaltung und Umbaumaßnahmen genutzt.

Grundsätzlich ist es Sache des Arbeitgebers, einen Betriebsurlaub anzuweisen, sagt Heike Cloß, Justiziarin der saarländischen Industrie- und Handelskammer (IHK). "Der Arbeitgeber hat das Weisungsrecht und kann festlegen, wann Betriebsferien sind." Der Betriebsrat allerdings hat dabei Mitspracherecht.

Bei Saarstahl, wo es Sommerstillstände nur im Walzwerk gibt, werden diese schon zum Ende des Vorjahres festgelegt, sagt Sprecherin Ulrike Jungmann. Allerdings steht das Walzwerk nie komplett still, so dass auch immer ein Teil der Mannschaft anwesend ist. Urlaubswünsche könnten deshalb immer noch flexibel gehandhabt werden.

Wehren können sich die Mitarbeiter trotz aller Rufe nach Individualität nicht gegen die Werksferien: "In der Regel haben die Beschäftigten keine Chance, soweit die Betriebsferien nicht den gesamten gesetzlichen Urlaubsanspruch umfassen" sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Dringende betriebliche Belange könnten dem frei gewählten Urlaubszeitpunkt entgegenstehen.

Cloß hält einen kollektiven Urlaub auch gar nicht für so schlecht: "In anderen Betrieben ist es in der Sommerzeit doch so, dass die zurückbleibenden dann die ganze Arbeit der Urlauber mitmachen müssen", sagt sie.

In der saarländischen Metallbau-Firma Herges gab es noch nie Werksferien, sagt deren Chef Wolfgang Herges : "Wenn die großen Unternehmen Ferien haben, müssen wir umso flexibler sein, um kurzfristig einzuspringen."

Meinung:

Firmen werden flexibler

Von SZ-Redakteur Joachim Wollschläger

Kann man Arbeitnehmern noch vorschreiben, wann sie genau ihren Urlaub zu nehmen haben? In einer Zeit, in der die Firmen um Arbeitnehmer werben müssen, scheint eine solche Vorgabe schon weltfremd zu sein. Schließlich ist allgemein doch immer wieder die Rede von flexiblen Arbeitszeiten und Work-Life-Balance. Glaubt man aber den Unternehmen, sind Werksferien in diesem Zusammenhang kein Thema. Eher umgekehrt: Viele sind froh, wenn sie im Sommer in den Schulferien eine Auszeit bekommen, ohne mit Kollegen um die Ferienwochen konkurrieren zu müssen. Und längst sind die Unternehmen so flexibel, dass, wer partout nicht in Urlaub will, auch noch irgendwo arbeiten kann.

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