EU-Rekordstrafe EU verhängt Rekordstrafe für Google

Brüssel · Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat Ernst gemacht und eine Milliardenstrafe verhängt. Und das ist erst der Anfang.

Ausnahmsweise dürfte es Google nicht viel Freude bereitet haben, ganz oben in den Suchergebnissen seines Nachrichtendienstes zu stehen. Denn gestern machte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager Nägel mit Köpfen – und verpasste dem Konzern die Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Euro. Sie ist das Ergebnis langjähriger Ermittlungen gegen den Suchmaschinenanbieter. Bereits 2010 startete Vorgänger Joaquín Almunia die Untersuchung, 2014 trat die Dänin seine Nachfolge an und machte den Fall zu einer obersten Priorität.

Nach sieben Jahren hatte die Behörde mehr als 5,2 Terabyte an Such­ergebnissen analysiert: „Das sind 460 Millionen Kopien meines Sprechzettels“, scherzte Vestager zur Verdeutlichung des riesigen Datenvolumens. „Es würde wohl 17 000 Jahre dauern, bis ich das alles verlesen hätte.“ Die Genugtuung, den Fall damit aus ihrer Sicht hieb- und stichfest gemacht zu haben, war der früheren Wirtschaftsministerin anzumerken. Der Vorwurf: Google habe durch seine dominante Marktposition seinem eigenen Preisvergleichsdienst Google Shopping einen unfairen Vorteil verschafft. Mehr noch: Vestagers Behörde konnte nachweisen, dass „der am besten platzierte Wettbewerber im Durchschnitt erst auf Seite vier der Suchergebnisse von Google angezeigt“ wird.

Verbraucher orientieren sich statistisch gesehen aber vor allem an den ersten zehn Treffern: 95 Prozent aller Klicks entfallen nach Kommissionsangaben auf die höchstplatzierten Ergebnisse, mehr als ein Drittel der Nutzer öffnen den obersten Link. Dagegen klickt nur ein Prozent der Internetsurfer auf das erste Ergebnis der zweiten Seite. Für die Kommission war dies ein erstes Indiz, für eine Wettbewerbsstrafe aber brauchte es mehr.

Suspekt war der Kommission der plötzliche Aufstieg des Google-Preisvergleichsdienstes. Denn der einst auf Froogle getaufte Service war anfangs kaum erfolgreich. Unternehmensintern hatte man das Projekt 2006 fast schon abgeschrieben. Damals hieß es in einer internen Kommunikation: „Froogle läuft einfach nicht.“ Doch der Megakonzern wollte den Misserfolg nicht auf sich sitzen lassen und änderte, davon ist Wettbewerbskommissarin Vestager überzeugt, 2008 „grundlegend seine Strategie“. Bei Suchergebnissen wurde der eigene Dienst „systematisch an erste Stelle gesetzt“. Dabei stellt Google dort direkte Links zu Verkäufern ein, echte Preisvergleichsportale tauchen erst weiter unten auf – für den Verbraucher praktisch unsichtbar. Der Effekt war überdeutlich. Allein in Deutschland stiegen die Zugriffe auf Google Shopping um das 35-fache, während die Aufrufe alternativer Dienste durch die deutlich schlechteren Platzierungen auf der Ergebnisliste um 92 Prozent zurückgingen.

Der Suchmaschinenriese gab sich trotzig: Weder begünstige Google „eine spezielle Webseite“ noch „einen Verkäufer“. Zudem wisse man, dass „Menschen normalerweise Links bevorzugen, die sie direkt zu den gewünschten Produkten führen und nicht zu Websites, auf denen sie die Suche noch einmal durchführen müssen“. Dass bei dieser Methode nicht immer der günstigste Preis für den Verbraucher abfällt, wurde in der Mitteilung Googles nicht berücksichtigt.

Doch letztlich leiden darunter auch Unternehmen, fürchtete nicht nur die EU-Behörde. „Fairplay gilt auch für Google. Der Konzern missbraucht seine Vorreiterstellung im Suchmaschinen-Geschäft und erschwert es Jungunternehmerinnen oder Startups drastisch, sich am Markt zu behaupten“, sagte der Vorsitzende der SPD im Europäischen Parlament, Jens Geier. Ähnlich sah dies auch der FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer: Das europäische Kartellrecht müsse an die digitale Revolution angepasst werden. Der Grünen-Parlamentarier Sven Giegold forderte gar die Einrichtung einer „gemeinsame Aufsicht für Digitalkonzerne nach dem Vorbild der europäischen Bankenaufsicht“.

Der Konzern will nun einen Einspruch gegen die Entscheidung aus Brüssel prüfen. Aber es bleiben nur 90 Tage Zeit, die gestrige Entscheidung umzusetzen, sonst drohen weitere Bußgelder – bis zu fünf Prozent des täglichen weltweiten Umsatzes. Und Vestager läuft sich bereits für Runde zwei und drei warm. Die weiteren Ermittlungen gegen Google zum Werbedienst AdSense sowie gegen die Smartphone-Software Android seien „gut vorangekommen“ und wiesen auf einen Verstoß hin. Für die Wettbewerbskommissarin geht der Kampf gegen den Internetriesen weiter.

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