Brüssel will Verbraucherschutz stärken Neue EU-Regeln für Marktplätze im Netz

Brüssel · Die EU-Kommission will Verkäufer und Kreditanbieter beim Verbraucherschutz stärker in die Pflicht nehmen. Die Pläne sind umstritten.

 Wer im Internet einkauft, muss sich meist auf die Angaben des Verkäufers verlassen. Doch die sind oft unzureichend oder fehlerhaft.

Wer im Internet einkauft, muss sich meist auf die Angaben des Verkäufers verlassen. Doch die sind oft unzureichend oder fehlerhaft.

Foto: dpa-tmn/Monique W¬astenhagen

Ein Baby-Schlafanzug, der zu viel Nickel freisetzt, Atemmasken, die gegen das Coronavirus unbrauchbar sind – die Datenbank der Verbraucherschutz-Abteilung in der EU-Kommission ist voll von solchen Beispielen, vor deren Kauf Brüssel die Kunden warnt. Die genannten stammen aus den vergangenen Wochen. In vielen Fällen sei der Kunde hilflos, hieß es am Mittwoch in Brüssel, weil er die Ware nicht vorher prüfen, in die Hand nehmen oder begutachten könne. Denn die Produkte wurden online erworben. „Wir legen noch strengere Vorschriften für die Verbrauchersicherheit fest“, versprach die zuständige Vizepräsidentin der EU-Behörde, Vera Jourova, am Mittwoch in Brüssel.

Die Anbieter und Betreiber von Marktplätzen im Internet sollen künftig zur Mitverantwortung verpflichtet werden. Größtes Problem: Wenn die Kontrolleure in den Mitgliedstaaten den Rückruf eines Artikels veranlassen, kommt der beim Kunden nicht an, weil die Verkäufer solche Aufrufe nicht weiterleiten. Künftig sind sie dazu verpflichtet. Außerdem sollen sie den Verkauf von Waren, die mit irreführenden oder fehlerhaften Angaben zu Herkunft und Inhalt beworben werden, von sich aus einstellen. Auch gefälschte Gütesiegel müssen nach Inkrafttreten der Verordnung zum Stopp eines Angebots führen.

Allerdings beabsichtigt die Brüsseler Kommission, den Verkäufern dafür eine Frist von fünf Tagen einzuräumen – nach Ansicht von Abgeordneten viel zu lange. „Wenn eine Plattform verspricht, ein Produkt innerhalb von 24 Stunden zu liefern, sollte sie genauso schnell auch eine gefährliche Ware von ihrer Seite nehmen können“, sagte Anna Cavazzini, Grünen-Europa-Parlamentarierin und Vorsitzende des Verbraucherschutz-Ausschusses im Abgeordnetenhaus, am Mittwoch. Die Sprecherin der Europa-SPD, Evelyne Gebhardt, forderte, auch neue vernetzte Geräte, die auf künstlicher Intelligenz basieren, in die Prüfung und Überwachung einzubeziehen: „Wenn wir zu Hause mit Alexa und Co. den Toaster steuern, dürfen durch Hacker keine privaten Daten abrufbar im Internet landen.“

Besonders weitgehend sind die geplanten neuen Auflagen für Kreditverträge. Künftig sollen alle geltenden Transparenz- und Schutzregeln auch für Kleinkredite unter 200 Euro gelten. Damit werden Dispo-Kredite und Leasingverträge den neuen Regeln unterworfen. Dazu zählt: Kreditnehmer müssen schneller von ihrem Geldinstitut vor zu hohen Belastungen gewarnt werden, wenn eine Rück­zahlung absehbar schwierig wird. Seit der letzten Reform des Regelwerks vor 13 Jahren seien die Möglichkeiten, mit mobilen Endgeräten mit nur wenigen Klicks einen Kredit zu beantragen, so rasant gestiegen, hieß es in Brüssel, dass das Risiko einer Überschuldung immer akuter werde. Hier will die EU-Behörde bessere Information erreichen.

Zugleich sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, Obergrenzen für Zinsen und die Gesamtkosten eines Kredites festzulegen, um zu verhindern, dass die Verbraucher in eine Schuldenfalle stolpern. „In der Anlageberatung gibt es für Banken und Finanzberater extrem strikte Vorschriften, während es viele Online-Anbieter mit den Verbraucherschutzvorschriften nicht so genau nehmen“, sagte der EU-Abgeordnete und Finanzpolitiker Markus Ferber (CSU).

Während die neuen Auflagen für Produkte von der Kommission als Verordnung und damit schnell erlassen werden könnten, benötigt eine Anpassung der Verbraucher-Kreditrichtlinie die Zustimmung der Mitgliedstaaten. Es wird also noch dauern, bis deren Bestimmungen in die nationalen Gesetze übernommen werden.

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