Hersteller werden in die Pflicht genommen EU sagt Elektroschrott den Kampf an

Brüssel · Das Europäische Parlament will, das Hersteller künftig dafür Sorge tragen müssen, dass ihre Produkte besser repariert und recycelt werden können.

 Immer mehr Elektrogeräte landen auf dem Müll. Dabei würden die meisten Verbraucher lieber reparieren lassen als wegzuwerfen. 

Immer mehr Elektrogeräte landen auf dem Müll. Dabei würden die meisten Verbraucher lieber reparieren lassen als wegzuwerfen. 

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Kühlschränke, Mobiltelefone, Toaster und Photovoltaik-Anlagen – 53 Millionen Tonnen Elektroschrott landen weltweit jedes Jahr auf dem Müll. 23 Kilo produziert jeder Bundesbürger im Jahr – von einem nachhaltigen Binnenmarkt kann in der EU keine Rede sein. Das Europäische Parlament hat am Mittwoch einen neuen Weg gewiesen: Mit großer Mehrheit votierten die Abgeordneten für die Wieder- und Weiterverwertung. „Das Handy zu reparieren, statt es wegzuwerfen, schont Klima, Ressourcen und den eigenen Geldbeutel“, sagte die Grünen-Europapolitikerin Anna Cavazzini.

Was den Volksvertretern vorschwebt, ist nichts weniger als eine kleine Revolution auf dem Markt der Elektrogeräte. So soll der Kunde schon beim Kauf umfassende Informationen über die Lebensdauer eines Produktes sowie über die Möglichkeiten, es später zu recyceln, bekommen. Die Wartungsanleitung müsste ausführliche Informationen über mögliche Reparaturen enthalten. Ersatzteile zu fairen Preisen sollen die Hersteller für den gesamten Zeitraum der geschätzten Haltbarkeit vorhalten und innerhalb einer bestimmten Frist auch liefern. Und musste ein Gerät repariert werden, soll die Garantiefrist wieder neu beginnen.

Sogenannte Sollbruchstellen, die ein Unternehmen bei seinen Produkten einbaut, damit es spätestens nach einer bestimmten Nutzungsdauer nicht mehr funktioniert (Obsoleszenz), wollen die Abgeordneten unter Strafe stellen. „Betrügerische Praktiken wie die beabsichtigte Abnutzung oder Alterung von Produkten schaden nicht nur den Verbrauchern, sondern auch der Umwelt“, betonte die Binnenmarkt-Expertin der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Evelyne Gebhardt. Das ist die Linie der neuen Vorschläge für einen nachhaltigen Binnenmarkt: Die Hersteller-Haftung wird ausgeweitet und verschärft.

Die Abgeordneten sehen die Bürger bei diesem Vorstoß hinter sich. Bei einer Eurostat-Umfrage gaben 77 Prozent der Befragten an, dass sie gerne und häufiger ein Gerät reparieren lassen würden, anstatt es zu entsorgen – vorausgesetzt, die Kosten für eine Wiederherstellung seien fair und vertretbar.

Doch so nachvollziehbar der Beschluss auch klingt, die Kritik fiel heftig aus. Christdemokraten und Liberale weigerten sich, den Vorschlag, mit dem die EU-Kommission zu einem entsprechenden Gesetzesvorschlag aufgefordert werden soll, mitzutragen. Andreas Schwab (CDU), Sprecher der EVP-Fraktion in der europäischen Abgeordnetenvertretung, wehrte sich vor allem gegen handwerkliche Fehler sowie eine Überforderung der Unternehmen – beispielsweise durch die verpflichtende Angabe „über die vermutete Lebensdauer eines Produktes“. Außerdem seien sogenannte „geplante Defekte“ bereits vor zwei Jahren als unlautere Geschäftspraxis untersagt worden. Schwab: „Nur deswegen konnte das verlangsamte, mangelhafte Software-Update von Apple auf älteren iPhones auch verfolgt werden.“ Er habe sich „bessere Vorschläge“ gewünscht.

Doch die Bereitschaft der meisten Abgeordneten, der Wirtschaft eine weitere Schonfrist einzuräumen, ist nach der Rangelei um einheitliche Ladekabel für Mobiltelefone und andere elektronische Geräte kaum noch vorhanden. Schon vor zehn Jahren hatten Parlament und Kommission die Hersteller erfolglos aufgefordert, den ständigen Wechsel von Steckern zu beenden, sodass die Ladegeräte auch für Nachfolgeprodukte nutzbar sind. Nun soll die EU-Behörde entsprechende Gesetze erlassen. Im ersten Halbjahr 2021 sind neue Vorschriften angekündigt, die dann 2022 in Kraft treten würden.

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