EU-Parlament billigt strengere Regeln

Brüssel/Straßburg · Eine Reform des Emissionshandels soll Luftverschmutzung verteuern. Die Stahlindustrie soll aber weithin verschont bleiben.

 Die saarländischen Stahlarbeiter haben immer wieder gegen eine Verschärfung des Emissionshandels und gegen Billigstahl protestiert. Im vergangenen April demonstrierten Azubis von Saarstahl mit Ironman-Masken. Foto: Dietze/dpa

Die saarländischen Stahlarbeiter haben immer wieder gegen eine Verschärfung des Emissionshandels und gegen Billigstahl protestiert. Im vergangenen April demonstrierten Azubis von Saarstahl mit Ironman-Masken. Foto: Dietze/dpa

Foto: Dietze/dpa

Schmutz-Bons werden die Emissionszertifikate bei den 11 000 beteiligten Unternehmen in der EU gerne genannt. Seit 2005 sollten sie den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen begrenzen. Das hat nicht funktioniert. Nun steht eine Reform an. Das Europäische Parlament in Straßburg legte gestern seine Verhandlungsstrategie fest - und distanzierte sich dabei auch vom eigenen Umweltausschuss. Die Hintergründe der Abstimmung erläutert SZ-Korrespondent Detlef Drewes in Frage-Antwort-Form.

Wie funktioniert der Emissionshandel eigentlich?

Betriebe, die viel klimaschädliche Gase ausstoßen, müssen seit 2005 pro Tonne Emissionszertifikate kaufen. Dadurch sollen die Unternehmen motiviert werden, in moderne Techniken zu investieren. In der Startphase wurden viele Papiere kostenfrei abgegeben. Derzeit sind 1,9 Milliarden nicht genutzter Zertifikate im Umlauf, aber nur 57 Prozent wurden bezahlt, 43 Prozent haben besonders energieintensive Konzerne der Stahl- und Zementindustrie kostenlos bekommen.

Warum stellt sich die erhoffte Lenkungswirkung nicht ein?

Die Wirtschaftskrise ist daran zumindest mit Schuld. In den beteiligten Betrieben ging die Produktion zurück, der Preis der Zertifikate fiel Ende 2016 auf unter sechs Euro. Eine Lenkungswirkung gibt es aber erst, wenn die Papiere wenigstens 20 Euro kosten. Deshalb will die EU die Schmutz-Bons jetzt verknappen, damit der Preis wieder steigt.

Was heißt das genau?

Derzeit wird die Zahl der Emissionszertifikate jedes Jahr um 1,74 Prozent abgebaut. Das Parlament hat nun beschlossen, dass von 2021 bis 2030 jährlich 2,2 Prozent vom Markt genommen werden sollen. Außerdem sollen 800 Millionen Papiere zusätzlich gestrichen werden. Und zusätzlich wollen die Abgeordneten nicht mehr nur zwölf, sondern 24 Prozent der Emissionen in ein Reservedepot legen. Alle Maßnahmen würden somit erreichen, dass die Zahl der Papiere im Handel verknappt und der Rest, der sich noch im freien Handel befindet, teurer wird. Damit sollen die Unternehmen gezwungen werden, mehr in klimaschonende Produktionstechniken zu investieren. All das soll helfen, das EU-Ziel von einer Minderung der Treibhausgase um 40 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 zu erreichen.

Die Stahlindustrie ringt ohnehin mit einer Krise. Muss sich die Branche auf hohe Mehrbelastungen einstellen?

Nein. Sowohl die Stahl- wie auch die Zementindustrie erhalten weiter kostenlose Papiere. Im Parlament war man der Meinung, dass es gerade diese energieintensiven Wirtschaftsunternehmen besonders schwer haben, die Emissionen zu verringern. Gleichzeitig wollte man das Risiko vermindern, dass die Konzerne ihre Produktionsstätten in der EU schließen und in andere Länder abwandern. Aus dem gleichen Grund wollen die Parlamentarier auch erreichen, dass die bei der Stahlherstellung anfallenden Rest-Gase (Kuppel-Gase) weiter zur Energiegewinnung genutzt werden können, ohne dass dafür Zertifikate erworben werden müssen.

Zeitweise hatte es doch geheißen, man wolle gerade die Zementindustrie in den künftigen Handel mit Verschmutzungsrechten einbeziehen?

Das ist richtig. Die vorgeschlagene Lösung erwies sich allerdings als nicht praktikabel. Denn um die Branche dann vor Billigimporten zu schützen, hätte man nicht nur Rohstoffe, sondern auch weiter verarbeitete Produkte mit Zöllen belegen müssen. Dadurch wäre es an den Grenzen zu einem heillosen Chaos gekommen. Übrigens hätten auch Bauherren mit höheren Preisen für Zement rechnen müssen. Diese Idee wurde aber vom Parlament abgelehnt.

Wie geht es jetzt weiter?

Im nächsten Schritt müssen sich die Mitgliedstaaten auf einen gemeinsamen Standpunkt verständigen. Dann können sie mit dem Parlament und der Kommission einen Kompromiss suchen. Dies wird allerdings wohl noch einige Monate dauern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort