Lieferketten gefährdet „Grüne Spuren“ für den Warenverkehr

Brüssel · Die EU-Kommission versucht Staus an den Grenzen zu verhindern. Die Mitgliedsstaaten sollen eigene Spuren für Lastwagen einrichten.

 Lastwagen stauen sich vor der Grenze zur Schweiz an der A5. Wegen des Corona-Virus kontrolliert die Bundespolizei an den Übergängen.

Lastwagen stauen sich vor der Grenze zur Schweiz an der A5. Wegen des Corona-Virus kontrolliert die Bundespolizei an den Übergängen.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Dienstag, 13:08 Uhr: Laut Webcam am Brenner ist so gut wie kein Personenwagen unterwegs, in beiden Richtungen fahren dafür Lastwagen. Es sind nicht viele, aber der Schwerlastverkehr fließt. Das ist eine gute Nachricht von diesem wichtigen Alpenpass. Denn an einigen anderen Grenzübergängen stauen sich die Lkw kilometerlang: Der freie Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt ist durch die Einführung von Grenzkontrollen in vielen Mitgliedstaaten massiv behindert. Inzwischen haben zehn Mitgliedstaaten bei der Kommission den Antrag gestellt, Grenzkontrollen wiedereinzuführen, darunter Deutschland, Frankreich, Spanien, Polen, Tschechien.

Eigentlich beziehen sich die Einschränkungen nur auf den Personenverkehr. Doch der Warenverkehr muss dennoch mit starken Behinderungen rechnen. Die Kommission will dafür sorgen, dass der nötige Nachschub nicht ausbleibt und in den Fabriken und Großmärkten für Lebensmittel Lieferketten nicht reißen. Sie fordert die Mitgliedstaaten auf, „grüne Spuren“ vor den Grenzübergängen einzurichten, auf denen die Lastwagen ungehindert die Grenze überqueren können. Dafür steht Verkehrskommissarin Adina Valean in engem Kontakt mit den Verkehrsministern der betroffenen Länder. Ein Sprecher der EU-Kommission räumt ein, dass es zu massiven Behinderungen des Warenflusses kam, und sagt: „In den meisten Ländern sehen wir aber bereits erste Verbesserungen.“ Bei einem Treffen der EU-Verkehrsminister am heutigen Mittwoch, das per Video-Konferenz abgehalten wird, sollen weitere Fortschritte erreicht werden.

Zwar hielt die Kommission Kontrollen zunächst für „weder hilfreich noch nötig“, weil das Virus ohnehin in allen Mitgliedsstaaten angekommen ist. Doch inzwischen hat die Kommission den Widerstand aufgegeben und Leitlinien zur Handhabung der Grenzkontrollen erstellt. Darin betont die Kommission: „Der freie Warenverkehr ist insbesondere unerlässlich für wichtige Güter wie Lebensmittel, Arzneimittel, Schutzeinrichtungen sowie Ersatzteile.“ Grenzkontrollen dürften auf keinen Fall dazu führen, dass Lieferketten behindert werden. Die Mitgliedstaaten müssten auch dafür sorgen, dass Lkw-Fahrer, Lokomotivführer und Piloten bei den Kontrollen keinem Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Von den Mitgliedstaaten dürften auch keine zusätzlichen Bescheinigungen bei legalen Produkten verlangt werden. Schließlich sei ausgeschlossen, dass das Virus durch Lebensmittel übertragen werde.

Für Autozulieferer Andreas Zumkeller, der im Landkreis Tuttlingen 160 Mitarbeiter beschäftigt, ist die Lage bereits jetzt brenzlig. „Seit Januar habe ich massive Engpässe bei Rohmaterialien wie Stahl, Hartmetall und Werkzeugen“, berichtet der 44-Jährige unserer Zeitung. Durch den Ausbruch des Virus im chinesischen Wuhan Anfang des Jahres seien die Lieferketten seines Unternehmens bereits massiv eingeschränkt. 15 Prozent seiner Fertigung liege schon jetzt brach.

Und: „30 Prozent von meinem Personal fällt bereits jetzt aus.“ Es seien zwar nur zwei Mitarbeiter in Quarantäne, etliche kämen aber nicht mehr, aus Angst, sich anzustecken. Er fordert von der Politik nicht Geld, sondern Unterstützung, „meinen Betrieb für zwei Wochen komplett dicht zu machen.“ Danach hätten alle die Gewissheit, dass der Betrieb virusfrei sei und man könne wieder durchstarten. Schon jetzt seien seine Außenstände eine existenzielle Bedrohung für das Unternehmen. Und das ist erst der Beginn der Krise.

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