Eine fotografische Verbeugung vor den Zeitungslesern dieser Welt

Wadgassen · Es sind nur 50 Fotos. Auch stellt das Deutsche Zeitungsmuseum sie nur in seinem Foyer aus. Und doch zeigt sich: Bisweilen gibt es das Große im Kleinen tatsächlich.

 Gehleser mit erlesenen Haltungsnoten. Foto: Eddy Posthuma de Boer

Gehleser mit erlesenen Haltungsnoten. Foto: Eddy Posthuma de Boer

Foto: Eddy Posthuma de Boer

Wo findet man den "öffentlichen Zeitungsleser"? Der nicht daheim am Frühstückstisch (oder auf dem Klo oder Sofa, im Bett oder Sessel) darin liest und blättert, sondern unter Leuten, Bäumen oder Lüstern. Weltweit gesehen typischerweise in Parks, hinter der Ladentheke, auf Trottoirs, im Auto oder im Café.

Hierzulande, wo das Zeitunglesen aus der Mode kommt, sieht man sie inzwischen seltener: Eckensteher, Banksitzer oder Berufswarter (Rezeptionisten oder Kioskbetreiber), die ihre Zeitung wie zwei Flügel ausbreiten, hinter denen man abtaucht oder das Weltgeschehen bekopfschüttelt. In anderen Weltgegenden aber gehören öffentliche Zeitungsleser zum festen Inventar der Straße.

Im Deutschen Zeitungsmuseum in Wadgassen huldigt man diesem Menschenschlag nun mit einer kleinen Kabinettschau, die 50 Fotografien von Zeitungslesern von Boston bis Rom, von China bis zur Türkei zeigt. Alle stammen sie von dem holländischen Fotografen Eddy Posthuma de Boer, der sie über die Jahre und Jahrzehnte auf seinen Reisen durch die Weltgeschichte abgelichtet und seine Sammlung später dem Niederländischen Pressemuseum in Amsterdam vermacht hat. Von dort expedierte man sie nun nach Wadgassen, wo sich für eine Auswahl daraus leider nur im Foyer (mit dem Charme einer Schaltervorhalle) ein Platz fand.

Das ist auch schon der einzige Einwand, den man gegen diese kleine Bild-Eloge auf eine wohl nie aussterbende Spezies finden kann. De Boers Fotografien sind, jedenfalls die meisten, mehr als Schnappschüsse aus den improvisierten Ruhezonen dieser Welt. Es sind Verbeugungen vor Schlagzeilenüberfliegern in Hotellobbies; meldungsversessenen US-Taxifahrern bei offener Wagentür; kultivierten Gazettengenießern in Wiener Kaffeehäusern; Kurzsichtigen mit Blatttuchfühlung in China; Tandemlesern auf portugiesischen Parkbänken; Blattausfaltern auf Balustraden und Kaimauern; erlesenen Gehlesern oder Wandzeitungen studierenden Biertrinkern. Lauter Leute, die sich Zeit nehmen. Sieh an.

Bis 4.9.; Di bis So: 10-16 Uhr.

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