Ein wahrer Rausch klingender Bildvisionen

Saarbrücken · In der vollbesetzten Saarbrücker Congresshalle glänzte die Deutsche Radiophilharmonie unter Leitung von Giancarlo Guerrero schon zum Auftakt mit Alberto Ginasteras feuriger Ballettmusik. Anschließend meisterte der Solist der Matinee, der Pianist Boris Giltburg, mit Bravour und Sensibilität Rachmaninoffs 3. Klavierkonzert.

"Augenmusik" hätte man die gestrige 6. Matinee der Radiophilharmonie übertiteln können: Unter Leitung von Giancarlo Guerrero zündete in der vollbesetzten Saarbrücker Congresshalle zuerst eine feurige Ballettmusik mit südamerikanischem Flair, dann ein Klavierkonzert, das schon mancher Filmkomponist zur Untermalung eines Hollywoodschinkens ausbeutete, und schließlich gar eine vertonte Gemäldeausstellung.

Das erste Werk, Tänze aus dem Ballett "Estancia" von Alberto Ginastera, schilderte mit hinreißender rhythmischer Energie die Arbeit auf einer argentinischen Farm samt Dreiecks-Liebesgeschichte. Eine simple, schmissig instrumentierte Volksmusik, die vor Machismo aus allen Nähten zu platzen schien und dank der vitalen Interpretation lebhaften Beifall fand.

Danach Rachmaninoffs 3. Klavierkonzert, das mit seinen grandiosen Gesten und der ornamentalen Überwucherung des Klavierparts immer wieder wehrloses Opfer effektorientierter Interpreten wird. Offenbar war Rachmaninoffs eigene, viel introvertiertere Einspielung dieses Stückes ein Vorbild auch für Boris Giltburg, Israeli mit russischer Herkunft und Solist dieser Matinee. Dass er mit diesem Werk bei den bedeutendsten Wettbewerben Preise erspielte, mag zum Teil die altmeisterliche Sicherheit des 32-Jährigen erklären. Die enormen pianistischen Hürden meisterte er fast ironisch-elegant und entwickelte statt des üblichen Pathos' grüblerischen Ernst und hohe Sensibilität, ohne die Dramatik zu vernachlässigen. Frappierend, welche Dämonen und Kobolde Giltburg in dieser scheinbar so vertrauten Musik entdeckte.

Für den orgiastischen Beifall gab es als Zugaben eine charmante Kreisler/Rachmaninoff-Paraphrase und eine wilde "Teuflische Einflüsterung" von Prokofieff. Die abschließenden "Bilder einer Ausstellung" von Mussorgski/Ravel, fast zum Überdruss bekannt, fesselten wie ein neues Werk dank Guerreros frischer und phantasievoller Interpretation. Zumal das Orchester von ihm dazu animiert wurde, seinen reichen Fundus an Farben und Ausdrucksnuancen auszubreiten. Ergebnis: ein wahrer Rausch klingender Bildvisionen, der in rauschenden Beifall überging.

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