Arbeitsmarktpolitik Ein Mittel gegen die vererbte Langzeitarbeitslosigkeit

Saarbrücken/Nürnberg · Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit, verteidigt den Sozialen Arbeitsmarkt als wirksames, sozialpolitisches Instrument.

 BA-Chef Detlef Scheele sieht einen sozialen Arbeitsmarkt nicht als Konkurrent für die Wirtschaft.

BA-Chef Detlef Scheele sieht einen sozialen Arbeitsmarkt nicht als Konkurrent für die Wirtschaft.

Foto: dpa/Nicolas Armer

() Vier Millionen Euro will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in einen Sozialen Arbeitsmarkt investieren, um Langzeitarbeitslose wieder in Jobs zu bringen. Ein Vorhaben, mit dem er sich – vor allem wegen der geplanten Förderdauer von fünf Jahren – die Kritik der Privatwirtschaft zugezogen hat. „Bisher war es so, dass wir die Menschen möglichst kurz im System behalten wollten und möglichst schnell wieder in den ersten Arbeitsmarkt bringen. Jetzt geht es darum, die Leute möglichst lang von der Arbeitsverwaltung betreuen zu lassen“, kommentierte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände die Pläne des Bundesarbeitsministers.

Doch Detlef Scheele, Leiter der Bundesagentur für Arbeit, präzisiert, dass es bei dem geplanten, öffentlich geförderten Arbeitsmarkt nicht um ein arbeitsmarktpolitisches Instrument geht, mit dem Menschen in den ersten Arbeitsmarkt gebracht werden sollen. Vielmehr sei es ein sozialpolitisches Instrument, das den Betroffenen soziale Teilhabe ermöglichen solle – und im Falle von Kindern im Haushalt auch einer vererbten Arbeitslosigkeit entgegen wirken soll. „In diesem Fall ist es schon gut zu sehen, dass die Eltern morgens zur Arbeit gehen und nicht im Bett bleiben“, sagt Scheele.

Der BA-Chef betont, dass für die Bundesagentur auch weiterhin die Leitlinien Prävention, Beratung und Vermittlung im Vordergrund stehen. Deshalb sei es wichtig, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, mit denen Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt gebracht werden können. Als Beispiel nennt er Modellprojekte, bei denen die Kontaktdichte zwischen den Betroffenen und den Jobcentern erhöht und eine umfassender Betreuung gewährleistet wird. Schon dadurch lasse sich die Vermittlungsquote erhöhen. Auch die Tatsache, dass nach der Abschaffung des Vermittlungsvorrangs die Hürde für Fortbildungsmaßnahmen gesunken ist, gehe in diese Richtung. Wenn aber mit normaler Förderung nichts mehr zu erreichen sei, wenn also als Alternative ein Hartz-IV-Bezug bis zum Renteneintritt in Rede stehe, dann sei als Ultima Ratio der soziale Arbeitsmarkt die bessere Alternative.

Tatsächlich ist die Hürde für den von Heil skizzierten Sozialen Arbeitsmarkt hoch. Sechs Jahre Leistungsbezug sind eine Voraussetzung. Joachim Möller, Leiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das für die Bundesagentur über Arbeitsmarktfragen forscht, nennt eine Zielgruppe von etwa 200 000 Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben. Häufig kämen neben dem langen Hartz-IV-Bezug noch weitere Hemmnisse dazu. Unter anderem gesundheitliche Einschränkungen, Sprachdefizite oder fehlende Qualifikation. „Und mit jedem Hemmnis verringert sich die Möglichkeit einer Vermittlung noch einmal um die Hälfte“, sagt Möller. Dequalifikation, Demotivation und Desintegration seien die Folgen einer so langen Arbeitslosigkeit. Sie zu bekämpfen sei auch mit Hilfe öffentlicher Mittel in einem sozialen Arbeitsmarkt sinnvoll.

Scheele hält in diesem Zusammenhang auch den von der saarländischen Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) bevorzugten Passiv-Aktiv-Transfer für sinnvoll. Hierbei wird die Hartz-IV-Zahlung für Lohnleistungen verwendet: „Wenn statt einer Transferleistung Lohn gezahlt wird, halte ich das absolut für zielführend“, sagt Scheele. Die Befürchtungen, dass durch dieses Instrument eine Konkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt entsteht, oder dass sich Arbeitgeber mit den Lohn-Ausgleichszahlungen „die Taschen vollmachen“, räumt der BA-Chef aus dem Weg: „Das nimmt der Wirtschaft keine Jobs weg“, sagt er. Wenn eine Stadt wie Saarbrücken nun 20 Kräfte engagiere, die  für die Kommune im Gartenbau eingesetzt würden, gleichzeitig aber die Ausgaben an die privaten Betriebe nicht kürze, gebe es auch kein Problem. „Außerdem ist auch der Personenkreis so, dass es keine Konkurrenz zur freien Wirtschaft gibt“, sagt Scheele. Für eine Arbeit, die in einem Tag zu erledigen ist, müsse man eher mit fünf Tagen rechnen.

Insofern sei auch der Vorwurf nicht berechtigt, Arbeitnehmer würden nur von den Zuschüssen profitieren. „Umgekehrt ist es so, dass wir die Arbeitnehmer beknien müssen, jemanden zu nehmen“, sagt Scheele. Denn es gebe Menschen – und das versuche er auch immer wieder, der Politik klarzumachen – deren Wertschöpfung weder den Mindestlohn erreicht, noch einen Betrag von ein oder zwei Euro pro Stunde.

BA-Forscher Möller sagt, dass man nicht gleich von einer Vielzahl von Jobs in einem solchen Arbeitsmarkt ausgehen solle: „Wir sollten uns da langsam herantasten.“ Und: „Geförderte Beschäftigung kann tatsächlich die soziale Teilhabe fördern. Wir haben Forschungsergebnisse dazu.“

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