Musikinstrumente E-Gitarren-Ikone Gibson in Geldnot

Nashville/München · Steht Gibson vor dem Schlussakkord? Die Finanznöte des Kult-Gitarrenbauers aus den USA bewegen Musikfans in aller Welt.

 Ein Besucher der Consumer Electronics Show 2016 spielt im Zelt des Gitarrenherstellers Gibson auf einer Gitarre. Zu der Zeit konnte sich wohl niemand vorstellen, dass Gibson bald vor dem Aus stehen könnte.

Ein Besucher der Consumer Electronics Show 2016 spielt im Zelt des Gitarrenherstellers Gibson auf einer Gitarre. Zu der Zeit konnte sich wohl niemand vorstellen, dass Gibson bald vor dem Aus stehen könnte.

Foto: dpa/Paul Buck

(dpa) Die Musikwelt zittert um den Pionier der elektrischen Gitarre: Seit Wochen ranken sich Pleitegerüchte um den Kult-Gitarrenhersteller Gibson aus der Country-Hochburg Nashville in Tennessee. Die Firma, auf deren Gitarren schon Legenden wie Elvis, John Lennon oder Johnny Cash vertrauten, steckt in akuter Finanznot. Der langjährige Unternehmenschef Henry Juszkiewicz steht vor einem Schuldenberg und droht, das Vertrauen der Geldgeber zu verlieren.

Um Kredite bei Anleihegläubigern zurückzuzahlen, muss Gibson schon länger Mittel zusammenkratzen, wo es geht. „Wir haben Vermögen wie Aktienbeteiligungen, Immobilien und Geschäftsbereiche zu Geld gemacht, die nicht das Erfolgsniveau erreichen konnten, das wir erwartet hatten“, räumt Juszkiewicz ein. „Es ist wichtig für unser Geschäft, wieder zu den finanziellen Erfolgen zurückzukehren, die wir einmal hatten“. Das Unternehmen arbeite hart dafür.

Doch die Lage ist kritisch. Gibson-Chef Juszkiewicz kämpft mit einer Gruppe von Investoren, die ihn aus dem Unternehmen drängen und die Kontrolle übernehmen will. Trotz eines Jahresumsatzes von rund 1,2 Milliarden Dollar hat Gibson mehr als 500 Millionen Miese. Im Juli und August müssen Bankkredite und Anleihen refinanziert werden. Ob diese Herkulesaufgabe gelingt, scheint ungewiss. Juszkiewicz hat die Investmentbank Jefferies beauftragt, Auswege zu finden.

Analysten sind skeptisch. Kevin Cassidy von der Ratingagentur Moody‘s warnte schon im August 2017 vor Zahlungsproblemen. Das Geschäft sei schwach, die Kapitalstruktur nicht aufrechtzuerhalten. Die hohen Schulden werfen die Frage auf, ob Gibson sich übernommen hat mit der 135 Millionen Dollar teuren Übernahme der Unterhaltungssparte des Philips-Konzerns im Jahr 2014. Dazu kamen andere Zukäufe, die Gibson nach eigener Aussage zum „weltweit führenden Anbieter im Bereich Musik und Sound“ machen sollten.

Das 1902 gegründete Unternehmens hatte 1936 die weltweit erste E-Gitarre in Serienfertigung gebaut. Spätestens seit das US-Traditionsblatt „Washington Post“ letzten Sommer den „schleichenden Tod“ der E-Gitarre ausrief, wird aber über den vermeintlichen Niedergang dieses Instruments diskutiert. Könnte es ein größerer und grundlegender kultureller Wandel sein, der Branchen-Urgesteinen wie Gibson, aber auch dem Erzrivalen Fender das Leben schwer macht?

Fest steht: Die große Ära der Gitarren-Helden liegt schon eine Weile zurück, und die Idole machen sich allmählich rar. Ob Motörhead, Black Sabbath, Manowar oder Slayer – die Liste der Bühnenabschiede gitarrenlastiger Bands wird lang und länger. Beim jungen Publikum geben heute andere Musikstile und Stars den Ton an – Rap, Hip-Hop und elektronische Musik stehen hoch im Kurs und Teenie-Idole wie Ariana Grande, Justin Bieber oder Taylor Swift setzen in ihrer Musik eher auf Computer-Sounds statt auf den klassischen Dreiklang aus elektrischen Gitarren, Schlagzeug und Bass. Immerhin zeigt Megastar und Singer/Songwriter Ed Sheeran, dass man noch mit Klampfe erfolgreich die Charts stürmen kann – auch wenn es sich in seinem Fall um akustische Gitarren handelt.

Beim Musikhaus Thomann, nach eigenen Angaben weltgrößter Onlinehändler für Musikinstrumente, sieht man noch keinen Anlass für einen Abgesang auf die E-Gitarre. Etwa 45 Millionen Euro trugen die elektrischen Saiteninstrumente zum Jahresumsatz von zuletzt rund 770 Millionen Euro bei, sagt Firmenchef Hans Thomann. Das Geschäft entwickele sich stabil. Im gesamten Gitarren-Segment verzeichnete Thomann sogar drei Prozent Umsatzplus. Für Gibson wird sich nach Einschätzung von Branchenkenner Thomann eine Lösung finden. Schließlich hätten vor allem kostspielige Zukäufe die Probleme ausgelöst und nicht das traditionelle Geschäft mit Gitarren. Vorstellbar sei etwa, dass sich ein Investor findet oder die jetzigen Geldgeber ein neues Management einbringen. Die Marke Gibson werde jedenfalls nicht untergehen, ist Thomann überzeugt. „Das ist so ähnlich wie Harley Davidson – einfach Kult.“

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