Erneuerbare Energien Die Windrad-Spezialisten aus Neunkirchen

Neunkirchen · Der saarländische Windkraftanlagen-Hersteller Vensys geht andere technische Wege als das Gros der Konkurrenz.

 Bei Vensys in Neunkirchen werden getriebelose Windenergieanlagen produziert. Hier ein Blick in die Produktionshalle mit den Mitarbeitern Tobias Forster (links) und Manfred Müller.

Bei Vensys in Neunkirchen werden getriebelose Windenergieanlagen produziert. Hier ein Blick in die Produktionshalle mit den Mitarbeitern Tobias Forster (links) und Manfred Müller.

Foto: Andreas Engel

Eigentlich gehören diese lastwagengroßen Gehäuse in die Luft. Bis zu 100 Meter hoch. Es sind die Köpfe von Windrädern. Noch liegen sie draußen neben dem Fabrikgebäude im Industriegebiet Neunkirchen-Wellesweiler in Reih und Glied, bereit für den Abtransport an den Ort, wo sie auf den Turm gesetzt und mit Rotorblättern versehen werden. Die Windrad-Köpfe sind mit einer Plane bedeckt und tragen die Aufschrift „Vensys“.

Vensys ist eigentlich ein kleiner Windkraftanlagen-Hersteller, aber indirekt gehört er doch zu den großen. Denn schon seit 15 Jahren bauen andere Unternehmen in Lizenz Anlagen mit Vensys-Technik. „Fünf Prozent aller Anlagen weltweit sind mit unserer Technik ausgestattet“, sagt Marketing-Leiterin Sabrina Baumann. Vor zehn Jahren stieg ein Lizenznehmer, das chinesische Unternehmen Goldwind, weltweit die Nummer zwei der Branche, bei Vensys ein und übernahm 70 Prozent der Anteile.

Die Windräder aus dem Saarland haben einige Besonderheiten, die sie aus der Masse herausstechen. Zum Beispiel, dass sie ohne Getriebe auskommen. Diese Technik ist zwar auf dem Vormarsch, aber nach wie vor werden die allermeisten Anlagen mit Getriebe gebaut. Vensys gehört zu den Pionieren der Hersteller, die auf Getriebe verzichteten. Darin liegt auch der Ursprung des Unternehmens. Entstanden ist es aus der 1990 gegründeten Forschungsgruppe Windenergie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken (HTW). Der Forschungsleiter, Professor Friedrich Klinger, habe damals die dreckigen Auswirkungen eines Getriebeschadens in luftiger Höhe gesehen und sich vorgenommen, Windräder ohne Getriebe zu bauen, erzählt die Marketingleiterin. Das gelang – und im Jahr 2000 wurde aus der HTW heraus die Vensys Energiesysteme GmbH & Co. KG in Saarbrücken gegründet, die Vorläuferin der heutigen Vensys Energie AG. Die Vorteile der getriebelosen Anlagen: Man braucht kein Öl zur Schmierung und hat viel weniger Wartungsaufwand.

Möglichst geringe Wartung spielt auch bei anderen technischen Besonderheiten eine Rolle. Bei der Kühlung nur mit Luft und ohne Kühl­flüssigkeiten. Vor allem aber bei dem patentierten Mechanismus zum Verstellen der Rotorblätter. Normalerweise funktioniert das mit einer Zahnrad-Technik. „Wir benutzen Zahnriemen. Das ist einzigartig“, sagt Ingenieur Jacques Péry. Bei dem Riemen gebe es praktisch keinen Verschleiß und keine Energieverluste. Und falls er doch defekt sei, könne er leicht getauscht werden.

„Wir haben eine Kapazität für die Produktion von 30 bis 40 Windkraftanlagen pro Jahr“, sagt Personalchef Andreas Barbian. Dazu kommen gemeinsame Projekte im Schulterschluss mit Goldwind. Windräder in der Größe von 1,5 bis neuerdings 4,1 Megawatt Leistung – für Kunden vor allem in Europa, aber auch in der ganzen Welt. In Neunkirchen werden Gondel, Generator und Nabe, also der „Kopf“ eines Windrades, hergestellt. Die Elektronik kommt von einer Vensys-Tochter in Diepholz (Niedersachsen), und 2016 wurde in Spanien eine Tochterfirma für die eigene Herstellung von Rotorblättern gegründet. Die Türme wurden zugekauft. Darüber hinaus entstand in den USA ein Vertriebs- und Service-Stützpunkt.

Neben der Windkraft-Technik entwickelt Vensys neuerdings kombinierte Anlagen, die eine autarke, also von externen Lieferanten unabhängige Energieversorgung ermöglichen. Dabei werden zum Beispiel ein Windrad, Photovoltaik, ein Energiespeicher und gegebenenfalls noch ein Diesel-Generator verknüpft. Damit lasse sich zum Beispiel die Energieversorgung auf einer Insel sicherstellen, aber auch für Betreiber von Kühlhäusern sei diese Technik interessant, sagt Barbian.

Über die Jahre, seit dem Einstieg von Goldwind 2008, ist Vensys stark gewachsen. Hatte das Unternehmen damals erst 30 Mitarbeiter, seien es inzwischen insgesamt etwa 300, davon 160 in Neunkirchen, sagt Barbian. Nun soll die Zahl der Beschäftigten erst einmal konstant bleiben, sagt er. Eine solche Ankündigung, den Stand der Produktion in Deutschland stabil zu halten, ist zurzeit keine Selbstverständlichkeit. Schließlich klagt die Branche über einen schleppenden Windkraftausbau hierzulande. Der deutsche Branchenprimus Enercon kündigte als Konsequenz daraus im Sommer bei sich und seinen Zulieferern die Entlassung von mehr als 800 Mitarbeitern an. Bei Vensys ist man dagegen weiterhin auch auf dem deutschen Markt gut im Geschäft. Für das kommende Jahr habe man Aufträge für den Bau von etwa 20 Anlagen allein in Deutschland bereits sicher, sagt Péry.

Weiteres Wachstum in Neunkirchen plant das Unternehmen, das nach eigenen Angaben einen Jahresumsatz von rund 100 Millionen Euro erzielt, derzeit nicht. Man sieht sich als gesundes mittelständisches Unternehmen, das seine Flexibilität erhalten wolle. Gesund heißt dabei auch profitabel: Die jüngste im Bundesanzeiger eingestellte Bilanz für 2016 weist bei einem Umsatz von rund 73 Millionen Euro einen Gewinn von mehr als zehn Millionen Euro aus.

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