Eine Variante des Wohnungsbaus Die Werksquartiere erleben eine Renaissance

Köln · Um Mitarbeiter zu gewinnen oder zu halten, bauen immer mehr Firmen vor allem in den großen Städten wieder Wohnungen für ihre Beschäftigten.

 Die Wohnungsnot in manchen Ballungsräumen haucht alten Ideen neues Leben ein, zum Beispiel dem Bau von Werksquartieren.

Die Wohnungsnot in manchen Ballungsräumen haucht alten Ideen neues Leben ein, zum Beispiel dem Bau von Werksquartieren.

Foto: dpa/Lothar Ferstl

Geboten wird: Eine Wohnung in zentraler Lage mit „hochwertiger Ausstattung“ – und einer „Miete deutlich unterhalb der marktüblichen Preise“. Das verlockend klingende Angebot richtet sich an potenzielle neue Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Köln. Dort baut die Hilfsorganisation derzeit 29 Betriebswohnungen verschiedener Größe – in der Hoffnung, dass sich dann mehr Kandidaten um offene Stellen in der Pflege oder im Rettungsdienst bewerben. So wie das DRK entdecken derzeit einige Unternehmen die eigentlich alte Idee der Mitarbeiterwohnung neu.

„Viele Firmen haben Schwierigkeiten, vor allem jüngere neue Fachkräfte zu finden“, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln, Ulrich Soénius. Gleichzeitig seien bezahlbare Wohnungen in Städten wie Köln knapp und teuer. „Wohnen und Arbeiten bedingen sich aber gegenseitig“, meint Soénius. Deshalb müssten Unternehmen überlegen, was sie tun könnten. Wenn es für das Wohnungsproblem am künftigen Arbeitsort eine Lösung gebe, könne dies ein entscheidendes Kriterium für Bewerber sein.

„Da entwickelt sich gerade eine gewaltige Welle“, meint Bernd Preuss, Leiter der Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke Köln (WSK). „Die klassischen Akteure werden das Thema Wohnungsnot nicht in den Griff bekommen. Aber für Arbeitgeber bietet das eine Möglichkeit.“ Die WSK habe bereits in den 1960er Jahren im großen Stil Betriebswohnungen gebaut, diese aber aufgrund sinkender Nachfrage vernachlässigt und extern belegt.

„Doch mit zunehmendem Fachkräftemangel haben wir darüber nachgedacht, wie wir uns als Arbeitgeber gut aufstellen können“, sagt Preuss. Und so habe die WSK in den vergangenen fünf Jahren ihren Wohnungsbestand saniert. Denn beim Gehalt hätten die Stadtwerke als tarifgebundenes Unternehmen keinen großen Spielraum, „aber wir können günstigen Wohnraum anbieten“. Die Quadratmeterpreise lägen bis zu 3,50 Euro unter der marktüblichen Miete. Inzwischen seien mehr als 90 Prozent der knapp 2000 Wohnungen wieder von Konzernmitarbeitern belegt.

„Betriebswohnungen waren früher sehr beliebt, sind dann aber aus der Mode gekommen“, sagt Günter Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum. „Jetzt stellen Unternehmen fest, dass das eventuell eine Möglichkeit ist, Mitarbeiter zu gewinnen.“ Interessant sei das vorwiegend in Ballungsräumen mit Wohnungsknappheit, und weniger in ländlichen Gebieten, wo es ausreichend erschwinglichen Wohnraum gebe.

Die Uniklinik Münster zum Beispiel hat seit 2017 zusätzlich zu ihren eigenen Wohneinheiten rund 100 Wohnungen auf dem freien Markt angemietet. Diese würden vor allem an ausländische Pflegekräfte weitervermietet, die sich dann nicht von ihrer Heimat aus um eine Wohnung kümmern müssten, erläutert eine Sprecherin.

Statistiken zum Thema Betriebswohnungen existieren nicht. Nach Schätzung des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) gab es Ende der 1970er Jahre bundesweit etwa 450 000 Werkswohnungen, vor allem bei früheren oder heutigen Staatsunternehmen wie Deutscher Post oder Deutscher Bahn. Ein Großteil davon wurde später an private Wohnungsbaugesellschaften verkauft, weil Unternehmen ihre Bilanzen aufbessern wollten.

So veräußerte die Bayer AG 2002 rund 9500 Werkswohnungen an ein Wohnungsunternehmen und besitzt seitdem nur noch einige hundert Werkswohnungen. Auch die Düsseldorfer Rheinbahn hat nach eigenen Angaben fast alle ihrer einst 800 Wohnungen verkauft. Dank einer Kooperation würden Mitarbeiter aber automatisch Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft mit entsprechenden Vorteilen.

Heute fehlen laut GdW mehr als eine Million Wohnungen in Deutschland. Der Verband fordert unter anderem, steuerliche Anreize für Unternehmen zu schaffen und Mitarbeiterwohnungen in die soziale Wohnraumförderung aufzunehmen.

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