Saarbrücken/Karlsruhe Die Saarbahn bekommt neue Züge

Saarbrücken/Karlsruhe · Das Saarbrücker Verkehrsunternehmen will alle 28 Bahnen ersetzen und beim Kauf gemeinsam mit Partnern Millionen einsparen.

 Saarbahn-Geschäftsführer Peter Edlinger (links) und Saarbahn-Betriebsleiter Michael Irsch versprechen sich viel vom gemeinsamen Zugeinkauf mit vier anderen Verkehrsbetrieben. Vor ihnen steht ein Modell des künftigen Standard-Fahrzeugs. So ähnlich werden die neuen Saarbahn-Züge aussehen.

Saarbahn-Geschäftsführer Peter Edlinger (links) und Saarbahn-Betriebsleiter Michael Irsch versprechen sich viel vom gemeinsamen Zugeinkauf mit vier anderen Verkehrsbetrieben. Vor ihnen steht ein Modell des künftigen Standard-Fahrzeugs. So ähnlich werden die neuen Saarbahn-Züge aussehen.

Foto: Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK)/Lutterbach/VBK

Die Saarbahn-Züge sind in die Jahre gekommen. Mehr als die Hälfte ist seit 1997 im Einsatz. Mitte der 20er Jahre will das Tochterunternehmen der Stadtwerke Saarbrücken alle 28 Züge ersetzen. Mehr als 150 Millionen Euro müsste die Saarbahn eigentlich für die Anschaffung einkalkulieren – etwa 5,5 Millionen Euro pro Zug, wie Saarbahn-Betriebsleiter Michael Irsch schätzt. Am Montag hat die Saarbahn aber einen entscheidenden Schritt getan, um den Kaufpreis um rund eine Million Euro pro Zug, also um insgesamt 28 Millionen Euro, zu drücken. Das Unternehmen hat sich mit vier weiteren Verkehrsunternehmen zusammengetan, um gemeinsam bei einem Zughersteller eine Großbestellung machen. Das verbilligt den Kauf auf gut 120 Millionen Euro. Am Montag haben Verantwortliche der fünf Betriebe in Karlsruhe einen entsprechenden Kooperationsvertrag unterzeichnet und damit zum ersten Mal in Deutschland eine solche Einkaufsallianz besiegelt.

Die Projektleitung haben die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK), die zusammen mit ihrem Schwesterunternehmen Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) der größte Abnehmer der neuen Züge sein werden. Sie kaufen allein rund 150 Züge, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung der Projektpartner heißt. Außerdem beteiligen sich die Erms-Neckar-Bahn AG aus Bad Urach (Baden-Württemberg) und die Verkehrsverbund Mittelsachsen GmbH aus Chemnitz. Nach derzeitigem Stand will das Konsortium rund 240 Züge anschaffen. Vielleicht werden es noch mehr, falls sich weitere Unternehmen dem VDV Tram Train genannten Projekt anschließen, sagte Irsch. Und dann könnte sich der Preis pro Zug weiter verringern.

Jetzt soll es Schlag auf Schlag gehen. „Nach der Sommerpause wollen wir EU-weit ausschreiben“, kündigte AVG- und VBK-Geschäftsführer Ascan Egerer an. „Ich hoffe, dass wir Mitte nächsten Jahres in der Lage sind zu vergeben“, sagte Saarbahn-Geschäftsführer Peter Edlinger. Die ersten sieben Züge soll die Saarbahn Ende 2024 oder Anfang 2025 erhalten – und dann jedes Jahr weitere sieben, bis die Gesamtzahl von 28 erreicht ist.

Die neuen wie bisher 37 Meter langen Züge sollen nicht nur auf dem aktuellsten Stand der Bahntechnik sein und zum Beispiel mit Fahrerassistenzsystemen zum Schutz vor Unfällen ausgestattet sein. Auch für die Passagiere soll es mehr Service geben: etwa eine Vollklimatisierung und nicht nur wie bisher eine Klimatisierung des mittleren Zugteils, außerdem Infotainment-Systeme mit Anzeigen zu Abfahrtzeiten und Anschlüssen sowie W-Lan für die Nutzung des Internets.

Das Projekt Großbestellung begann vor vier Jahren im Unterausschuss Regionalbahnen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), wie Irsch schildert. Dort kam auch ein „Club der Zwei-System-Geschädigten“ zusammen, wie der Ingenieur sagt. Edlinger spricht scherzhaft von „Selbsthilfegruppe“. Zwei-System bedeutet, dass die Züge zum einen die 15 000-Volt-Wechselstromtechnik haben, um auf Gleisen der Deutschen Bahn fahren zu können. Daneben haben die Fahrzeuge auch die 750-Volt-Gleichstromtechnik für Straßenbahn-Strecken. Eigentlich ist das eine „Top-Idee“, ist Irsch überzeugt. Denn die Fahrgäste können so, ohne umzusteigen aus der Region in die Städte hineinfahren. Der Haken: „Die Preise der Zwei-System-Fahrzeuge sind im Vergleich enorm gestiegen“, sagte Irsch. 3,5 Millionen Euro müsse man etwa für einen Zug rechnen, der nur für den Eisenbahnbetrieb ausgelegt sei. Einen Zwei-System-Zug bekomme man nicht unter fünf Millionen.

Die Verkehrsunternehmen schreckten vor den hohen Kosten zurück und suchten nach Wegen, die Kosten zu senken. Ihre Idee war die Sammelbestellung. Sie konzipierten ein für alle Betriebe weitgehend identisches „Plattform-Fahrzeug“, das durch individuelle Zusatzleistungen wie aus einem Baukasten erweitert werden kann, erklärte Edlinger. So kann es zum Beispiel Varianten für Zuglängen, Einstiegshöhen und Antriebssysteme geben,

außerdem zusätzliche Innenausstattung wie Verkaufsautomaten oder Toiletten. Der „niedrigere Stückpreis ergibt sich daraus, dass die Einmalkosten für die Entwicklung und Zulassung des Standardfahrzeugs auf eine deutlich höhere Stückzahl an Fahrzeugen verteilt werden können“, erläuterte Projektleiter Thorsten Erlenkötter von den Verkehrsbetrieben Karlsruhe. Für die Anpassung der Züge an die Wünsche der einzelnen Unternehmen „wollen wir einen Fahrzeugkonfigurator nutzen – ähnlich wie in der Autoindustrie“, sagte Erlenkötter.

Noch einen weiteren großen Vorteil erhofft sich die Saarbahn aus der gemeinsamen Großbestellung: „Die Wartungskosten werden sinken“, erwartet Irsch. Weil die Unternehmen gemeinsam Instandhaltungsaufträge erteilen oder Ersatzteile in großen Stückzahlen bestellen können. Außerdem sollen die Zughersteller mit anbieten, 30 Jahre lang für die Lieferung von Ersatzteilen einzustehen. Bei den alten Saarbahn-Zügen sei es ein zunehmendes Problem, an Ersatzteile heranzukommen, sagte Edlinger. Nicht nur, dass viele teuer in Einzelfertigung nachgebaut werden müssen. Manche Komponenten „haben Lieferzeiten von bis zu einem Jahr“, sagte Saarbahn-Geschäftsführer Edlinger.

Auch wenn die neue Zugflotte dank der Kooperation weniger kostet als befürchtet, ist die Finanzierung ein Kraftakt. Daran sind neben dem Unternehmen Saarbahn das Land und die Landeshauptstadt Saarbrücken  beteiligt. Land und Stadt „entwerfen derzeit Finanzierungsmodelle, wie die Kosten aufgeteilt werden können“, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Das Land ist als sogenannter Aufgabenträger für die außerstädtischen Strecken zuständig, in dessen Auftrag die Saarbahn fährt. In der Abrechnung der Fahrleistungen können entsprechend Kosten für die Anschaffung neuer Fahrzeuge berücksichtigt werden. Die Stadt Saarbrücken, die als Aufgabenträger für die innerstädtischen Straßenbahnstrecken zuständig ist, könne, falls nötig, Sicherheiten wie zum Beispiel Bürgschaften gewähren, sagte der zuständige Dezernent Thomas Brück (Grüne). Saarbahn-Geschäftsführer Edlinger geht davon aus, dass am Ende der Verhandlungen noch eine hohe Summe übrigbleibt, die das Unternehmen selbst finanzieren muss.

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