Konjunktur Die deutsche Wirtschaft wächst und wächst

Frankfurt · Auch für dieses Jahr erwarten Ökonomen eine Fortsetzung des Booms. Doch Experten sehen auch einige Risiken.

 Die Kauflaune der Verbraucher hat die Konjunktur im vergangenen Jahr beflügelt.

Die Kauflaune der Verbraucher hat die Konjunktur im vergangenen Jahr beflügelt.

Foto: dpa/Robert Schlesinger

Wirtschaftsaufschwung, Rekordbeschäftigung, Exportboom – es läuft in Deutschland. Mit 2,2 Prozent Wachstum legte die Wirtschaftsleistung im abgelaufenen Jahr so stark zu wie seit 2011 nicht mehr. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist mit gut 2,5 Millionen Arbeitslosen so gut wie nie seit der Wiedervereinigung. Deutschlands Exporteure steuern auf das vierte Rekordjahr in Folge zu. Und der Staat darf sich über einen Rekordüberschuss von 38,4 Milliarden Euro freuen.

„Dieser Aufschwung ist kein Spurt, sondern ein Dauerlauf“, stellte Dekabank-Chefökonom Ulrich Kater jüngst fest. Einmütig prognostizieren Wirtschaftsforscher eine Fortsetzung des seit nunmehr acht Jahren anhaltenden Aufschwungs und rechnen 2018 erneut mit einem Wachstum von mehr als zwei Prozent.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht den Aufschwung weiterhin „auf einer breiten Basis“. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, trat der Befürchtung entgegen, dass der Wirtschaft allmählich die Puste ausgehen könnte: „Die Kapazitäten in der Industrie sind so ausgelastet wie seit der weltweiten Finanzkrise vor zehn Jahren nicht mehr“, sagte Kempf. „Echte Risiken für eine konjunkturelle Überhitzung sehen wir nicht.“  Üblicherweise verbindet sich mit „Überhitzung“ die Vorstellung einer Überforderung der Wirtschaft, die – verbunden mit übermäßig steigenden Preisen und Löhnen – die Konjunktur kippen lässt.

Getragen wurde der Aufschwung im vergangenen Jahr vor allem von positiven Impulsen aus dem Inland: Die privaten Konsumausgaben stiegen um zwei Prozent und trugen damit allein 1,4 Prozentpunkte zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum bei. Der Rest entfällt weitgehend auf Investitionen, während die Außenwirtschaft anders als früher mit einem Wachstumsbeitrag von 0,2 Punkten keine treibende Rolle spielte.

Die Kauflaune der Verbraucher hängt zum einen mit der historisch günstigen Lage auf dem Arbeitsmarkt zusammen, zum anderen damit, dass von Lohnerhöhungen trotz anziehender Inflation doch etwas in den Geldbeuteln der Arbeitnehmer bleibt und es wegen der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) kaum Anreize zum Sparen gibt.

Doch trotz des Booms ist es fraglich, ob es auf längere Sicht brummt. Auch darin sind sich die Experten einig. „So gut es der deutschen Wirtschaft geht, viele Schwachstellen sind erkennbar. Nun muss es darum gehen, den volkswirtschaftlichen Glanz in die Zukunft zu tragen“, sagt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Investitionen seien notwendig: in Straßen, Bildung, schnelles Internet. „Es ist an der Zeit, anzupacken und sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen“, mahnt Gitzel.

„2018 muss das Jahr der Taten werden. Die Startposition für eine neue Regierung könnte kaum besser sein“, bekräftigt BDI-Chef Kempf. Die künftige Bundesregierung sollte die „Chance für neue Strukturreformen und Investitionen“ nutzen, rät  Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Bank ING-Diba. „Andernfalls könnte Deutschland bald in den Rückspiegel schauen und erkennen, dass die jüngste starke Wachstums­phase nur das letzte Hurra war.“

Die Forderungen, dreieinhalb Monate nach der Bundestagswahl endlich klare Verhältnisse zu schaffen, werden daher lauter. „Damit Deutschland auf den Weltmärkten weiterhin vorne dabei sein kann, muss angesichts von zunehmendem Wirtschaftsprotektionismus und Nationalismus die Hängepartie in Berlin bald ein Ende haben“, mahnte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann. Für eine internationale Volkswirtschaft wie die deutsche, die auf Exporte wie Importe angewiesen ist, sei der um sich greifende nationale Protektionismus „brandgefährlich“, warnte Bingmann. Eine handlungsfähige Regierung könne und müsse international gegensteuern.

Außerdem sei Deutschland „ein kostspieliges Land“ – gleich, welchen Maßstab man anlege, analysiert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Darunter leide das Image als Wirtschaftsstandort. In der EU sei Deutschland in puncto Attraktivität für Investoren „nur noch Mittelmaß“. So beklagten von der Weltbank regelmäßig befragte Unternehmer, Juristen und Wirtschaftsprüfer zum Beispiel, die öffentliche Verwaltung hierzulande sei behäbiger geworden. Zunehmend zu kämpfen hat das alternde Deutschland auch mit einem Mangel an qualifiziertem Personal. Viele freie Stellen können oft über Monate nicht besetzt werden, weil Firmen keine geeigneten Bewerber finden.

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