Kritikerin der lockeren Geldpolitik EZB-Direktorin Lautenschläger tritt zurück

Frankfurt · Die Draghi-Kritikerin verlässt die Europäische Zentralbank vor dem Ende ihrer regulären Amtszeit.

 Die Währungspolitik der Europäischen Zentralbank in Frankfurt stößt inzwischen in vielen Mitgliedstaaten der Union auf Kritik.

Die Währungspolitik der Europäischen Zentralbank in Frankfurt stößt inzwischen in vielen Mitgliedstaaten der Union auf Kritik.

Foto: dpa/Boris Roessler

Im Streit um den Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) sieht sich erneut ein deutsches Mitglied des Führungsgremiums der Notenbank zum Rücktritt gezwungen: Die ehemalige Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, Sabine Lautenschläger, gibt ihren Posten im sechsköpfigen EZB-Direktorium zum 31. Oktober dieses Jahres auf – und damit mehr als zwei Jahre vor Ende ihrer regulären achtjährigen Amtszeit, die noch bis 26. Januar 2022 gedauert hätte.

Die Juristin Lautenschläger hatte sich wiederholt kritisch zu den milliardenschweren Anleihenkäufen der Notenbank geäußert. EZB-Präsident Mario Draghi hatte die zeitlich unbegrenzte Wiederaufnahme der umstrittenen Geschäfte bei der jüngsten EZB-Sitzung am 12. September gegen heftige Widerstände durchgesetzt.

Die EZB machte in einer knappen Mitteilung keine Angaben zu den Gründen für Lautenschlägers Schritt. Draghi dankte der 55-Jährigen „für ihre maßgebliche Rolle beim Aufbau und der Steuerung der europaweiten Bankenaufsicht“.

Lautenschläger, die dem EZB-Direktorium seit dem 27. Januar 2014 angehört, war bis Februar des laufenden Jahres neben ihrer Rolle in der Geldpolitik Vize-Chefin der EZB-Bankenaufsicht. Die Zentralbank beaufsichtigt die größten Banken und Bankengruppen im Euroraum seit November des Jahres 2014 direkt.

Lautenschläger zählt zu den Kritikern einer extrem lockeren Geldpolitik, wie sie die EZB unter Draghi seit Jahren praktiziert. Vor der jüngsten geldpolitischen Sitzung hatte sich Lautenschläger gegen eine Wiederaufnahme der Käufe von Staatsanleihen ausgesprochen.

Doch die Währungshüter zogen noch einmal alle Register – zum Leidwesen von Sparern und Banken. Die Zentralbank verlangt von Banken nicht nur höhere Strafzinsen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Sie steckt ab November zudem monatlich 20 Milliarden Euro in den Erwerb von Anleihen – und das zeitlich unbefristet.

Selten äußerten so viele Notenbankchefs gewichtiger Euroländer Kritik an diesem Beschluss. Aus Sicht von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ist die EZB „über das Ziel hinausgeschossen“. Auch die Notenbankchefs von Österreich und den Niederlanden, Robert Holzmann und Klaas Knot, distanzierten sich.

Aus Notenbankkreisen verlautete am Donnerstag, Lautenschläger sei zermürbt gewesen vom „System Draghi“, in dem der Präsident Entscheidungen durchsetze und nicht den Konsens suche. Sie habe auch wenig Hoffnung gehabt, dass sich der Kurs unter Draghis designierter Nachfolgerin Christine Lagarde absehbar ändern werde.

Die bisherige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat sich bereits offen für eine Fortsetzung der extrem lockeren Geldpolitik gezeigt. Die Französin Lagarde soll den Spitzenposten bei der EZB zum 1. November übernehmen. Die achtjährige Amtszeit des Italieners Draghi endet am 31. Oktober 2019.

An Anleihenkäufen als Mittel der Geldpolitik hatte sich immer wieder Kritik entzündet. Gegner fürchten, Staaten könnten durch das billige Notenbankgeld in ihrem Reformwillen gebremst werden. Am Ende finanziere die Zentralbank klamme Euroländer, so der Vorwurf.

Draghi hatte die erneute Lockerung der Geldpolitik mit umfangreichen Risiken für die Konjunktur gerechtfertigt. Die Geldschwemme soll letztlich bewirken, dass Unternehmen und Verbraucher leichter an Kredite kommen. Das soll Wirtschaft und Inflation ankurbeln.

 Sabine Lautenschläger will ihren Posten im EZB-Direktorium zum 31. Oktober räumen.

Sabine Lautenschläger will ihren Posten im EZB-Direktorium zum 31. Oktober räumen.

Foto: picture alliance / dpa/Marc Tirl

Erst Ende Dezember hatte die EZB ihr gewaltiges Kaufprogramm von Staats- und Unternehmensanleihen vorerst beendet. Von März 2015 bis Ende 2018 steckte die EZB rund 2,6 Billionen Euro in solche Anleihen.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort