Deutsche schwören auf Scheine

Frankfurt · Während andere Länder das Bezahlen digitalisieren, ist für viele Menschen in Deutschland ein Leben ohne Bargeld undenkbar. Die Bundesbank macht sich daher weiterhin für Bargeld als Zahlungsmittel stark.

 Beim Einkaufen zahlen die Deutschen am liebsten bar. Foto: Armin Weigel/dpa

Beim Einkaufen zahlen die Deutschen am liebsten bar. Foto: Armin Weigel/dpa

Foto: Armin Weigel/dpa

Das Aus für den 500-Euro-Schein ist beschlossen. Ist das der Anfang vom Ende des Bargelds? Mancher Verbraucher betrachtet die jüngste Weichenstellung der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Sorge. Denn gerade in Deutschland sind Schein und Münze äußerst beliebt. Alternativen wie das mobile Bezahlen per Smartphone oder Computer-Uhr sind bei den meisten Bundesbürgern nach wie vor unpopulär.

"Eines ist sicher: Die Deutschen lieben das Bargeld", beschreibt Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bei einer Tagung der Notenbank gestern in Frankfurt die deutsche Realität. "Bei der Bargeldnutzung liegt Deutschland im internationalen Vergleich an der Spitze." Die Bundesbank mache sich weiterhin für Bargeld als Zahlungsmittel stark, versichert Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele . Erst vor ein paar Wochen hatte Thiele bilanziert: "Bis es soweit ist, dass Verbraucher eher das Smartphone als die Banknote und die Münze zum Bezahlen an der Ladenkasse nutzen, wird noch einige Zeit vergehen."

Während viele Schweden und Dänen längst mit Karte oder mobil via App mit ihrem Handy bezahlen - egal ob auf dem Flohmarkt, im Taxi oder in der Kneipe - vertrauen die Menschen in Deutschland weiterhin vor allem auf Schein und Münze: Bei 79 Prozent der Transaktionen hierzulande wird bar gezahlt, wie die Bundesbank anhand Daten von 2014 errechnet hat. Gut die Hälfte (53 Prozent) der Umsätze im Einzelhandel in Deutschland werden mit Bargeld abgewickelt.

In einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag des Bankenverbandes BdB lehnten im Februar 91 Prozent der 1001 repräsentativ befragte Erwachsenen in Deutschland eine vollständige Abschaffung des Bargelds ab. Die Verbraucher hierzulande seien "meilenweit entfernt davon, auf Bargeld in ihrem Alltag verzichten zu wollen", konstatiert Deutschlands oberster Verbraucherschützer, Klaus Müller. Und das sei auch gut so: "Nur Bargeld erlaubt das Zahlen ohne Datenspuren. Welche Bücher und Zeitschriften ich kaufe, wie oft ich zur Apotheke gehe - alles das muss auch in Zukunft anonym bleiben."

In einer Umfrage der Wirtschaftsprüfer von PwC gab Anfang des Jahres nur jeder Dritte (30 Prozent) der 1035 befragten Erwachsenen in Deutschland an, er habe schon mal bargeldlos mobil bezahlt. Neun von zehn Deutschen (85 Prozent) sehen demnach die Gefahr, bei mobilen Bezahlverfahren könnten Daten gehackt und missbraucht werden.

Somit darf bezweifelt werden, ob Deutsche-Bank-John Cryan mit seiner steilen These vom Jahresanfang recht behalten wird: Bargeld werde in den nächsten zehn Jahren verschwinden. Denn: "Cash ist fürchterlich teuer und ineffizient", befand der Brite.

In der Tat ist die Bargeldversorgung durchaus aufwendig. Im Jahr 2015 zahlte die Bundesbank insgesamt rund 498 Milliarden Euro in Form von Banknoten und gut 3,8 Milliarden Euro in Form von Münzen aus. Zurück kamen von den Geschäftsbanken rund 453 Milliarden Euro in Scheinen und knapp 3,5 Milliarden Euro in Münzen . Acht bis elf Mal pro Jahr wird eine im Umlauf befindliche Banknote von der Notenbank auf Echtheit und Qualität geprüft. Scheine, die stark beschädigt sind, werden aus dem Verkehr gezogen. 2015 bearbeitete die Bundesbank 15 Milliarden Banknoten , eine Milliarde Stück wurde geschreddert.

Trotz des Aufwands sei Bargeld "entgegen manchem Vorurteil keine besonders teure Zahlungsart", erklärt Bundesbank-Präsident Weidmann. "Bei den Kosten pro Transaktion schlägt das Bargeld sowohl die Debitkarte als auch die Kreditkarte deutlich." Die Notenbank will den Verbrauchern nicht vorschreiben, wie sie zu zahlen haben - und versichert: "Der Produktionsstopp für die 500-Euro-Banknote ist kein Einstieg in die Abschaffung des Bargeldes."

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