Umweltfreundliche Alternative Autogas-Neustart beginnt im Saarland

Saarbrücken/Merzig · Der Kraftstoff Autogas steht vor einer neuen Blüte. Möglich macht das ein Erfinder aus Herne, der seine Idee im Saarland verwirklichen kann.

 Sie setzen auf die Renaissance des Autogases: Andreas Gühring, Chef der Merziger Firma MHA Zentgraf, HTW-Professor Thomas Heinze, Unternehmensberater Frank Jungblut und Erfinder Holger Becker, der die entscheidende Idee hatte (von links).

Sie setzen auf die Renaissance des Autogases: Andreas Gühring, Chef der Merziger Firma MHA Zentgraf, HTW-Professor Thomas Heinze, Unternehmensberater Frank Jungblut und Erfinder Holger Becker, der die entscheidende Idee hatte (von links).

Foto: Christian Bullacher/HTW

Ein Auto-Kraftstoff, der bislang ein Nischendasein führte und in den vergangenen Jahren weiter zurückzufallen drohte, könnte eine Renaissance erleben. Die Rede ist von Autogas (LPG) (siehe Info), dessen Verbrennung die Umwelt kaum mit Feinstaub und Stickoxiden belastet. Trotzdem sanken die Zulassungszahlen seit einiger Zeit. Das hatte einen technischen Grund. „Es kommen immer mehr Motoren mit einer Direkteinspritzung auf den Markt“, erläutert Professor Thomas Heinze. „Für diese ist Autogas denkbar ungeeignet.“ Heinze leitet an der Saarbrücker Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) das Institut Automotive Powertrain, das sich mit der technischen Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren beschäftigt. Gestern konnten er und andere Mitstreiter verkünden, dass die Direkteinspritzungs-Hürde technisch genommen wurde. Möglich macht das eine Erfindung von Holger Becker, einem Autohändler aus Herne, dem die Umrüstung von Benzin auf Autogas immer schon am Herzen lag.

Becker hat einen sogenannten Medienwandler entwickelt, der hydraulisch funktioniert. Ein entscheidender Unterschied zu bisherigen Systemen ist, dass der Wandler hinter der Benzin-Hochdruckpumpe montiert ist. Er nutzt den dort vorher aufgebauten Benzindruck, damit das Autogas, das sich noch in der Flüssigphase befindet, fein dosiert durch die Benzin-Injektoren in die Brennkammer gespritzt werden kann. „Weil der Wandler hinter der Pumpe angebracht ist und eigenständig arbeitet, werden alle technischen Probleme, die wir mit Direkteinspritungs-Motoren haben, gelöst“, sagt der Erfinder. Bisher musste das LPG durch die Benzin-Hochdruckpumpe geschickt werden, was dazu führte, dass diese unzureichend geschmiert wurde und irgendwann den Geist aufgab. Wenn es zudem draußen warm und der Motor heiß war, bildete das Gas in der Pumpe auch gerne Dampfblasen, was den Neustart des Motors verhinderte.

Wie umweltfreundlich das Gas ist, prüften Heinze und sein Team auf den HTW-Testständen. „Der Feinstaub konnte fast auf Null gefahren werden, der CO2-Ausstoss verringert sich um 15 Prozent, und die Stickstoff-Emissionen sind deutlich geringer als beim Benzin-Motor.“

Inzwischen wurde ein Unternehmen gegründet, das unter Direct Gas-Tec firmiert. Die Mehrheit an dieser Firma halten Erfinder Holger Becker und sein Bruder Ralf. Außerdem ist Andreas Gühring, geschäftsführender Gesellschafter des Merziger Hydraulikkomponenten-Herstellers MHA Zentgraf, und der Unternehmensberater Frank Jungblut daran beteiligt. Der Medienwandler wird bei MHA Zentgraf gebaut.

Alle Beteiligten sind zuversichtlich, dass der Wandler im Alltagsbetrieb störungsfrei läuft. Erste Fahrzeuge haben jeweils mehr als 100 000 Kilometer weitgehend anstandslos  hinter sich gebracht. In wenigen Wochen soll die Genehmigung der Anlage nach der europäischen Zulassungsnorm abgeschlossen sein. Als erstes will Direct Gas-Tec ins Nachrüst-Geschäft einsteigen. Das Netzwerk soll bundesweit 800 Werkstätten umfassen. Bisher wurden die Wandler vornehmlich in Autos des VW-Konzerns eingebaut. „Aber sie sind auch für anderen Fabrikate geeignet“, sagt Becker.

Wer die Nachrüst-Kosten, die zwischen 2500 und 3000 Euro liegen sollen, nicht scheut, kann mit einer schnellen Amortisation rechnen. Die Kraftstoffkosten reduzieren sich um die Hälfte. Außerdem ist Autogas „an jeder zweiten Tankstelle in Deutschland verfügbar“, sagt Becker. „Autogas steht nicht unendlich zur Verfügung. Doch fünf Prozent der bislang konventionell ausgestatteten Autos könnten mit LPG angetrieben werden“, meint HTW-Professor Heinze. Noch ein Vorteil: Eine Tankfüllung mit LPG reicht für 1300 Kilometer.

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