Angriff auf Genossenschaften Der Handel wehrt sich gegen Brüssel

Brüssel · Der Versuch des EU-Parlamentes, die Landwirte gegen große Einkaufsketten zu stärken, hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Bei Rewe und Edeka sieht man in dem Vorstoß einen Anschlag auf den Mittelstand.

 Rewe fürchtet Nachteile durch die Brüsseler Pläne.

Rewe fürchtet Nachteile durch die Brüsseler Pläne.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Wie weit soll das geplante Verbot unlauterer Praktiken wirklich gehen?

Als Albert Dess Anfang dieses Monats aus der Sitzung des Agrarausschusses im EU-Parlament kam, zeigte er sich zufrieden: „Die Konzentration beim Einzelhandel in der EU soll eingeschränkt werden“, sagte der Landwirtschaftsexperte der christdemokratischen EVP-Fraktion, der selbst der CSU angehört. „Wir haben einen ersten Schritt getan, um einer immer größer werdenden Dominanz einzelner Handelsketten im nationalen wie im internationalen Markt entgegenzuwirken.“

Seither laufen der deutsche Einzelhandel und die beiden Großkonzerne Rewe und Edeka Sturm gegen die Pläne aus Brüssel. „Die Beschlüsse sind grotesk“, erklärte ein Edeka-Vertreter. Auslöser des Krachs ist das Bemühen der EU-Kommission, sich für die Bauern nicht nur im Milchsektor stark zu machen. Deren Position gegenüber den Branchenriesen soll gestärkt werden, um bessere Preise durchsetzen zu können. Als Beispiel gilt Agecore, eine Händlerallianz, zu der neben Edeka auch Coop (Schweiz), Intermarché (Frankreich), Kolruyt (Belgien), Conad (Italien) und Eroski (Spanien) gehören. Die Kommission will nun erreichen, dass unlautere Handelspraktiken wie verspätete Zahlungen, beschränkte Marktzugänge, rückwirkende Änderungen von Vertragsbedingungen ebenso verboten werden wie die unbegründete Auflösung von Verträgen oder die Abwälzung von Transport- und Lagerkosten auf die Lieferanten. So weit, so gut. Der Agrarausschuss des Parlamentes ließ aber auch den Eindruck entstehen, dass die Vorschriften nicht nur für internationale Einkaufsgemeinschaften gelten, sondern auch für nationale. Bei Edeka, Rewe und anderen – betroffen wären wohl auch einige Bäckerei-Ketten – schrillten die Alarmglocken. „Der Vorschlag kommt einem Generalangriff auf den mittelständischen Lebensmittelhandel gleich“, schimpfte Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE).

Tatsächlich sind Edeka und Rewe genossenschaftlich strukturiert. Denn die meisten Geschäfte werden von Einzelunternehmern geführt, die das Sortiment bestimmen, mit den Lieferanten aus der Region verhandeln, Standardware und Markenartikel aber über die Zentrale ordern, die für alle einkauft. Beide Konzerne verstehen sich selbst als Gegenpol zur internationalen Großindustrie für Nahrungsmittel.

Richtig ist, dass ohne Rückbindung an Edeka oder Rewe jeder Geschäftsführer selbst bei den Herstellern einkaufen müsste. Das würde kleinere Mengen und höhere Preise bedeuten. Die Verbände sehen die bisherige Struktur als Garanten für verbraucherfreundliche Kosten und ein breites bezahlbares Angebot. Genau diese Einkaufs-Stärke will Brüssel aber zugunsten der Bauern „knacken“.

Ob die Agrarpolitiker sich durchsetzen können, ist noch offen. Bis zum Jahresende verhandeln sie mit der Kommission und den Mitglied­staaten über die neuen Regeln.

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