Ein Jahr voller Krisen beim französischen Autobauer Renault versucht den Neustart

Paris · Nach einem Jahr voller Krisen, hat der französische Autohersteller sein Management konsequent ausgetauscht.

 Finanzchefin Clotilde Delbos hat vorübergehend die Aufgaben des geschassten Renault-Chefs Thierry Bolloré übernommen. Jean-Dominique Senard soll den Konzern als Präsident wieder stabilisieren.

Finanzchefin Clotilde Delbos hat vorübergehend die Aufgaben des geschassten Renault-Chefs Thierry Bolloré übernommen. Jean-Dominique Senard soll den Konzern als Präsident wieder stabilisieren.

Foto: dpa/Rafael Yaghobzadeh

Bei Renault hängt der Haussegen gewaltig schief. Die aktuelle Krise ist hausgemacht und spielt sich seit knapp einem Jahr in der Führungsetage des Konzernes ab. Doch nun versucht das Unternehmen den Befreiungsschlag und tauscht rigoros die führenden Köpfe des Managements aus.

Begonnen hat die Misere im November 2018 mit der überraschenden Festnahme von Carlos Ghosn – Chef des Verwaltungsrates der japanischen Verbündeten Nissan und Mitsubishi. Renault hält an seinem asiatischen Partner 43 Prozent, der umgekehrt mit 15 Prozent bei den Franzosen beteiligt ist.

Einer der Vorwürfe gegen gegen den polyglotten Ghosn, der im Libanon aufgewachsen ist und in Paris eine Eliteausbildung durchlaufen hat: Untreue. Der schillernde Topmanager soll gegen Börsenauflagen in Japan verstoßen und sich selbst mit Millionensummen bereichert haben. Ghosn hat das stets zurückgewiesen.

Die Verhaftung hat den Konzern in eine tiefe Krise gestürzt, die durch einen herben Gewinneinbruch des japanischen Partners Nissan im ersten Halbjahr noch verschärft wurde – und das eigentlich annehmbare Ergebnis von Renault überschatte. Der nächste Rückschlag kam, als im Sommer die angepeilte Fusion des Unternehmens mit dem italienisch-amerikanischen Autobauer Fiat Chrysler (FCA) platzte. Bei einem Zusammenschluss wäre einer der größten Autokonzerne der Welt entstanden und hätte die Marktführer Volkswagen und Toyota herausgefordert. FCA aber zog am Ende zurück, wahrscheinlich auch, weil der französische Staat, der mit 15 Prozent an Renault beteiligt ist, große Bedenken an dem Zusammenschluss äußerte.

Doch der Autokonzern möchte das „annus horribilis“ nun hinter sich lassen und hat dazu an den entscheidenden Stellen das Führungspersonal ausgetauscht. Ein großer Nachteil war es in diesem Fall für alle Beteiligten, in den vergangenen Jahren einen zu engen Kontakt zu Carlos Ghosn gepflegt zu haben: Nissan hatte bereits Mitte September Konzernchef Hiroto Saikawa vor die Tür gesetzt, ein Weggefährte von Ghosn. Er hatte zuvor eingeräumt, unverhältnismäßig hohe Zahlungen im Rahmen eines Aktienvergütungsprogrammes erhalten zu haben.

In diesen Tagen musste Renault-Chef Thierry Bolloré gehen. Er war schon unter Carlos Ghosn die Nummer zwei bei dem Hersteller gewesen und galt als engster Vertrauter und Kronprinz. Übergangsweise soll nun Finanzchefin Clotilde Delbos die Geschäfte des französischen Automobilkonzerns leiten. Die Entlassung Thierry Bollorés kam nicht ganz überraschend. Seit Wochen war spekuliert worden, dass er seinen Posten räumen muss und aus diesem Grund der Druck von Verwaltungsratschef Jean-Dominique Senard erhöht worden sei. Der war von Michelin geholt worden, um den Konzern nach der Ghosn-Krise wieder zu stabilisieren.

  Mit der Festnahme von Carlos Ghosn, Ex-Chef des Renault-Partners Nissan, begann die Misere.

Mit der Festnahme von Carlos Ghosn, Ex-Chef des Renault-Partners Nissan, begann die Misere.

Foto: AP/Eugene Hoshiko

Renault macht sich nun nach eigener Aussage auf die Suche nach einem permanenten Nachfolger für Bolloré. Dabei dürften Manager die größten Chancen haben, die nicht in dem Unternehmen aufgestiegen sind, will die französische Tageszeitung „Le Figaro“ erfahren haben. Als erfolgreiches Beispiel für die Besetzung einer Spitzenposition könne das Unternehmen Air France-KLM dienen. Dort hat der Kanadier Ben Smith die Lage in dem krisengeschüttelten Konzern innerhalb eines Jahres beruhigt. Eine der letzten „aufregenden“ Neuigkeiten aus dem Luftfahrkonzern war, dass Jason Lamy-Chappuis, 2010 Olympiasieger für Frankreich in der Nordischen Kombination, nun bei Air France als Co-Pilot arbeitet. Eine Schlagzeile, um deren Belanglosigkeit Air France von Renault wohl zutiefst beneidet wird.

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