Hohe Produktionskosten, niedriger Preis Das Sterben der Milchhöfe geht ungebremst weiter

München · Drei Jahre nach der letzten großen Milchkrise arbeiten Deutschlands Milchbauern trotz gestiegener Preise weiter defizitär. Die Kosten der Milcherzeugung sind nach wie vor höher als die Erzeugerpreise, wie Fachleute und Bauern übereinstimmend berichten.

 Kühe waren früher eine sichere Basis für die Existenz eines Bauern. Nun verschwinden pro Jahr fünf bis sechs Prozent der Betriebe.

Kühe waren früher eine sichere Basis für die Existenz eines Bauern. Nun verschwinden pro Jahr fünf bis sechs Prozent der Betriebe.

Foto: dpa/Lino Mirgeler

Daher verschulden sich viele Höfe immer stärker. Branchenexperten gehen davon aus, dass sich der Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft fortsetzt und weiter alljährlich Tausende Bauern aufgeben. Sofern die EU ihre Agrarzuschüsse wie geplant kürzt, könnte sich das Höfe­sterben sogar noch beschleunigen.

Der Bund deutscher Milchviehhalter (BDM) beziffert die Produktionskosten für konventionelle Milch auf im Schnitt etwa 43 Cent pro Kilo. Bei Biomilch sind es an die 60 Cent, sagt Sprecher Hans Foldenauer. Die Milchbranche rechnet in Kilogramm und nicht in Litern.

Die Erzeugerpreise sind deutlich niedriger: Derzeit bekommt ein Bauer nach Foldenauers Angaben im Bundesschnitt von seiner Molkerei etwa 34 Cent für konventionelle und zwischen 45 und 50 Cent für Biomilch. Faktisch betreiben die Milchbauern Selbstausbeutung.

„Den Strukturwandel in der deutschen Milchwirtschaft haben wir seit 70 Jahren, keine Politik hat das aufhalten können“, sagt Torsten Hemme, Direktor von IFCN, einem renommierten Forschungsinstitut für Milchwirtschaft in Kiel. „Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten wir circa 100 000 Milchbauern in Schleswig-Holstein, jetzt sind es unter 4000, und diese Zahl wird sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren weiter reduzieren.“ Schleswig-Holstein ist kein Sonderfall, die Entwicklung ist überall in Europa ähnlich. „Es gibt bisher kein Land, das diesen Trend aufgehalten hat, auch nicht die Schweiz oder Norwegen, die sehr hohe Subventionen zahlen.“

Die Faustformel: Pro Jahr hören etwa fünf bis sechs Prozent der deutschen Milchviehbetriebe auf, „also alle zehn Jahre etwa die Hälfte“, sagt Hemme. „Die verbleibenden Betriebe wachsen dafür um etwa fünf bis zehn Prozent pro Jahr. Das ist die andere Seite der Entwicklung, und ich bin immer dafür, beide Seiten zu sehen.“ Seit den Sechzigerjahren hat sich der durchschnittliche deutsche Milchbauer von damals zwölf Kühen pro Betrieb auf heutzutage etwa 65 vergrößert.

„Wir haben seit 2008 stark schwankende Erzeugerpreise“, sagt Claus Schnakenberg, ein Agrarberater und Milchexperte im Bremer Umland. „Das Problem ist, dass die Betriebe im Schnitt über die letzten fünf Jahre keine Vollkostendeckung erreichen.“ Die Folge: „Der Verschuldungsgrad steigt.“ Die Einkommen der Milchbauern sind entsprechend niedrig: „Bei einem Betrieb mit 80 Kühen komme ich auf einen Stundenlohn von etwa zehn Euro“, sagt IFCN-Direktor Hemme.

Von Seiten der Politik bekommen die Landwirte oft zu hören, sie sollten auf Bio umstellen. Zwar lassen sich mit Biomilch tatsächlich bessere Preise erzielen. Aber weil auch die Kosten höher sind, leiden Biobauern ebenso unter mangelnder Profitabilität wie ihre konventionell wirtschaftenden Kollegen.

Außerdem steigt die Nachfrage der Verbraucher nach Biomilch nicht so schnell wie das Angebot: „Wir haben Betriebe, die an einer Umstellung auf Bio interessiert sind, und keine Molkerei finden, die ihnen die Milch abnehmen würde“, sagt Schnakenberg.

(dpa)
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