Das Heizkraftwerk Neunkirchen Wenn aus Müll Strom und Wärme werden

Neunkirchen · Das Heizkraftwerk in Neunkirchen verwandelt Müll in Wärmeenergie. Bis zu 160 000 Tonnen können dort jährlich verbrannt werden.

 Kranführer Henry Stieler hat von seinem Kontrollstand aus den Bunker ständig im Blick. Von oben aus steuert er den Greifer, der den Müll mischt und später in die Verbrennung transportiert.

Kranführer Henry Stieler hat von seinem Kontrollstand aus den Bunker ständig im Blick. Von oben aus steuert er den Greifer, der den Müll mischt und später in die Verbrennung transportiert.

Foto: Rich Serra

Langsam senkt Kranführer Henry Stieler den Greifer in die riesige Grube voller Müll. Während von der seitlichen Rampe gerade neue Säcke in die über zehn Meter tiefe Grube fallen, die ein Transporter aus Lothringen angeliefert hat, nimmt der Greifer eine große Ladung Müll auf, hebt diesen bis fast an die Hallendecke, und lässt ihn dann in einen Schacht fallen, der zur Verbrennungskammer führt.

Was aussieht wie ein gigantisches Computerspiel, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Müllverbrennungsanlage der EEW in Neunkirchen gleichmäßig arbeiten kann, sagt der Chef der Anlage, Axel Köhler. Denn der Kranführer ist nicht nur für den Nachschub im Brennraum zuständig, sondern auch dafür, dass der Müll gut durchmischt ist und dann auch gleichmäßig verbrennt.

Seit fast 50 Jahren wird in Neunkirchen Müll verbrannt. Strom und Wärme erzeugt das Kraftwerk auf dem Gelände der ehemaligen Grube König. Doch mit dem früheren Kraftwerk hat die heutige Anlage kaum noch etwas zu tun. „Früher hieß Müllverbrennung, dass auf der einen Seite der Müll reinkam, aus dem Abgas die gröberen Schadstoffe ausgefiltert wurden und der Rest aus dem Schornstein kam“, sagt Köhler. Heute sei das komplett anders. „Ich hätte kein Problem, heute einen tiefen Atemzug aus der Luft zu nehmen, die aus dem Schornstein kommt“, sagt er. Denn den Großteil der Anlage nimmt heute die Rauchgasentgiftung ein, wie es Marc Kesselheim, Leiter der Instandhaltung, betont. Die Luft wird dafür mehrfach chemisch und mechanisch gereinigt, so dass die Belastung weit unter den vorgeschriebenen Grenzwerten liegt. „Und dabei liegen die für uns geltenden Grenzwerte noch weit unter den gesetzlichen Werten, weil die Anlage so nahe am Stadtgebiet liegt“, sagt Anja Kau, die bei EEW für den Vertrieb zuständig ist.

Energie aus Müll? Die Frage, ob es nicht besser wäre, Müll komplett zu vermeiden. bejaht Köhler sofort. „In einer besseren Welt wäre das so.“ Doch da der Müll nun einmal da ist, sei die Verbrennung die optimale Form der Entsorgung. Denn letztlich werde dadurch die im Müll enthaltene Energie genutzt, statt diesen einfach auf eine Deponie zu kippen. Auch könnten Wertstoffe im Müll noch verwendet werden. Denn in der Asche seien noch viele Metallstoffe enthalten, die für die Stahlproduktion gebraucht werden. Und die Schlacke sei ein perfektes Material für den Straßenbau. Giftstoffe wiederum, die bei Deponien möglicherweise ins Grundwasser versickern, werden bei der Verbrennung ausgefiltert und in alten Salzstöcken eingelagert.

Zwei Müllverbrennungsanlagen gibt es aktuell im Saarland: Velsen bei Völklingen und das EEW-Kraftwerk. Noch vor wenigen Jahren war fraglich, ob das Neunkircher Kraftwerk weiter bestehen werde. Denn der Entsorgungsverband Saar hatte beschlossen, die Müllverbrennung ab 2017 komplett in der Anlage in Velsen zu konzentrieren. „Und die Kommunen sind per Gesetz verpflichtet, ihren Hausmüll über den EVS zu entsorgen“, sagt Köhler. Das führe zu der absurden Situation, dass Hausmüll aus Neunkirchen durch das Saarland nach Völklingen gebracht werden müsse, während das EEW-Kraftwerk Müll aus Lothringen verbrennt.

Die Trennung hat historische Gründe. Denn das Kraftwerk Neunkirchen gehörte früher der Entsorgungsgesellschaft Sotec, einer Tochter der Saarbergwerke, und hatte Verträge, die der Verbrennungsanlage hohe Müllgebühren garantierten. Diese Verträge sind 2016 ausgelaufen. „Natürlich hätten wir bei Neuverhandlungen auch deutlich niedrigere Gebühren angeboten“, sagt Köhler. Aber diese Verhandlungen seien, obwohl von ihm mehrfach angestoßen, nicht gewollt gewesen. Dann wären auch beide Anlagen besser ausgelastet, sagt Köhler. Denn Neunkirchen sei von der Bauweise eher auf Hausmüll ausgelegt, Velsen auf Gewerbemüll. „Theoretisch können wir 160 000 Tonnen pro Jahr verbrennen“, sagt er. Weil Gewerbemüll aber einen höheren Energiegehalt hat, seien es im vergangenen Jahr nur 140 000 Tonnen gewesen. Bei einer höheren Menge wäre die Hitze in der Brennkammer sonst zu hoch gestiegen.

Dass die Neunkircher Anlage weiter am Netz geblieben ist, sei auch dem Bekenntnis der Stadt Neunkirchen geschuldet, die von dem Kraftwerk mit Strom und Fernwärme versorgt wird. „Neunkirchen hat uns zugesagt, die Energie auch nach 2017 weiter abzunehmen. Also haben wir für entsprechende Auslastung gesorgt“, sagt Kau.

Statt Hausmüll aus dem Saarland verbrennt die Anlage jetzt Gewerbemüll aus dem Saarland, Müll aus Lothringen sowie aus England. Den Vorwurf des Mülltourismus weist Köhler aber von sich: „In England nutzen wir Transporte, die sonst leer zurückgefahren wären.“ Als Zukunftsprojekt für Neunkirchen sieht Köhler die Verbrennung von Klärschlamm. Der darf wegen seiner hohen Belastung nicht mehr auf Feldern ausgebracht werden.

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